Warning: Undefined variable $open_graphite_head in /home/.sites/587/site434/web/wp-content/plugins/open-graphite/_open_graphite.php on line 619 Glaub nicht alles, was du denkst „The Work“ von Byron Katie und meine Probleme damit – Säkularer Buddhismus

Glaub nicht alles, was du denkst
„The Work“ von Byron Katie und meine Probleme damit

byron katieEine aufmerksame Leserin hat uns darauf hingewiesen, dass dieser prägnante Satz, der David Loy so gut gefällt, von Byron Katie stammt. Das war mir Grund genug, über sie und ihre Arbeit zu recherchieren. Auf der Website http://thework.com/sites/thework/deutsch gibt es u.a. eine Einführung über ihre Person, Details zu ihrer Arbeitsweise und viele begleitende Materialien1. Byron Katie ist eine US-Amerikanerin, die nach langjährigen schweren persönlichen Krisen mit Depressionen, Süchten und Panikattacken eine Art Erweckungserlebnis hatte, wie sie berichtet. Dies habe ihr Leben mit einem Schlag von Grund auf verändert und sie zu einem glücklichen, ausgeglichenen Menschen gemacht. Sie entwickelte eine Technik von vier Fragen und „Umkehrungen“ der Antworten, mit denen sie seither arbeitet und die sie vielen Menschen in Büchern, Videos und Workshops nahegebracht hat2. Byron Katie schlägt vor, schmerzhafte, ärgerliche, belastende Erfahrungen in einem meditativen Prozess gedanklich genau zu überprüfen. Dabei geht es in den ersten beiden Fragen darum, ob sie „wahr“ seien, die dritte und vierte sollen deutlich machen, wie sehr die Gedanken darüber den Fragenden belasten. Indem schließlich Aussagen wie „Mein Mann sollte mir besser zuhören“ „umgekehrt“ werden (zum Beispiel in: „Ich sollte ihm besser zuhören“), soll die Aufmerksamkeit darauf gerichtet werden, wie eigene oft unbewusste Verhaltensweisen mit denen korrespondieren, die einen an anderen besonders stören: je schlechter ich selber zuhören kann, desto eher wird mich das an anderen Menschen nerven. Der Gedanke, „Glaubenssätze“ über sich und andere Menschen in Frage zu stellen und die Aufmerksamkeit auf die Schattenseiten des eigenen Selbstbilds zu richten, hat mich angesprochen. Ich sah eine Verbindung zu den Überlegungen über das „Selbst“, um die es auf diesem Blog seit einer Weile geht und erinnerte mich an Buddhas Bild, wie Ungeübte zwei Pfeile spüren: der erste verursacht den Schmerz einer echten Verletzung, mit dem zweiten sind die Sorgen und Ängste gemeint, die wir danach in uns nähren. Ich habe vieles von Byrons Website gelesen, mir Videos angesehen und ihre Technik selber und mit anderen ausprobiert. Da gibt es einiges, was mich anzieht: ihre Aussagen darüber, wie Schmerz uns zum Nachdenken führen kann; wie wir die tief verwurzelte Gewohnheit, uns selbst und andere zu bewerten, als Ausgangspunkt für Selbsterforschung nutzen können, die oft wiederholte Aufforderung, unsere Gedanken an der Realität zu überprüfen und eine skeptische innere Haltung, die in dem prägnanten Satz gipfelt: glaub nicht alles, was du denkst. Im Selbstversuch habe ich mit den „Umkehrungen“ einiges anfangen können; sie richteten meine Aufmerksamkeit darauf, wie mich an anderen oft am meisten stört, was mir selber schwerfällt. Von Beginn an aber fand ich die Ausgangsfrage und Byrons Umgang damit falsch gestellt. Ein Beispiel: Nach der Aussage: „XY hat mich verletzt“ führt die Frage „Ist das wahr?“ in ein Dickicht von weiteren Fragen über Wesen und Urheberschaft von „Wahrheit“. Die Frage „Entspricht das der Realität?“ wäre vielleicht sinnvoller, weil durch sie unterschiedliche Sichtweisen deutlicher werden könnten. Eine Dharma-Freundin, mit der ich „The Work“ übte, stellte fest, dass die Voraussetzung für den Prozess, nämlich Byrons unhinterfragtes Vorverständnis von „Wahrheit“, einem offenen, skeptischen Zugang widerspreche. Jedenfalls sind „Glaubenssätze“, die auf diese Weise identifiziert werden, nicht „Lügen“, wie Byron sagt und schreibt, sondern höchstens Irrtümer oder Verzerrungen. An dieser Stelle wird es gefährlich, scheint mir, weil der Bewertung, die in Frage gestellt werden soll, durch das Etikett „Lüge“ gleich wieder Tür und Tor geöffnet wird, jetzt auf die eigene Person bezogen. Meine Vorbehalte wuchsen mit der Frage: wo hat sie das her? Auch Byron muß in einer Tradition stehen, die sie aber verschweigt. Ihrer Erklärung vom Erweckungserlebnis als einziger Quelle mag ich nicht folgen. Bei aller Vorliebe für handlungsorientierte Ethik, hier fehlt mir die Theorie, aus der auch sie geschöpft hat – dazu später mehr. Nun können spontane tiefe Einsichten sicher wichtige Anstöße geben; mich stört aber die Ausschließlichkeit und Unbedingtheit von Byrons Anspruch ihren Klientinnen gegenüber sehr: Ein Arbeitsblatt wird dein Leben für immer verändern? Byron Katie ist weltweit bekannt – Google zählt 3 250 000 Treffer. Sie hat sehr viele Anhänger, von denen ihr ein großer Teil enthusiastisch folgt. Auf zahlreichen Videos kann man ihr bei der Arbeit – auch vor Publikum – zusehen. Mir scheint, dass sie im Gespräch den Eindruck zu erwecken versucht, durchaus einfühlsam auf Klientinnen einzugehen, aber recht bedingungslos Richtung und Tempo des Gesprächs vorgibt. Da bleibt nicht viel Raum für eigene Reflexion über das Wesen des jeweiligen Problems und vor allem nicht über seine Veränderbarkeit. Byron hat nicht wenige scharfe Kritiker. Ein ausführliches, kluges Statement auf deutsch mit anschließender kontroversieller Diskussion gibt es unter: https://emj57.wordpress.com/2009/07/21/warum-ich-the-work-von-katyie-byron-nicht-mag/. Darin heißt es:

Durch die vier Fragen erfolgt sofort eine Ablenkung vom betreffenden Glaubenssatz. Durch die Umkehrungen führt der Weg noch weiter weg. Ich werde praktisch gezwungen, mir andere Gedanken samt den dazu gehörigen Gefühlen vorzustellen. Da zwei Gefühle nicht zugleich auftreten können und volle Konzentration auf die jeweils neuen Gedanken verlangt wird, tritt der erste Gedanke in den Hintergrund und wird von den nachfolgenden überlagert. Ich bezweifle zutiefst, dass das Ursprungsproblem damit gelöst ist! Für den Augenblick mag es durchaus so scheinen, weil man sich auf andere Gedanken völlig konzentriert. Diese neuen Gedanken sind spannend und anregend und beanspruchen die Aufmerksamkeit. Sie erzeugen andere Gefühle als die ursprünglichen. Es ist ein Ablenkungsmanöver. An sich ist die Aussage, man solle sich niemals gegen die Realität stellen, in bestimmten Situationen eine Binsenweisheit. Wer mit dem Kopf durch die Wand will, wird sich eine Beule holen, ganz egal, wie oft er es versucht. Was aber fehlt, ist die ganz wichtige Frage: Ist diese Realität veränderbar oder nicht? Das halte ich für die zentrale Frage überhaupt.

Eine differenzierte Kritik in englischer Sprache liest man auf der Website von Morten Tolboll: http://mortentolboll.weebly.com/a-critique-of-byron-katie-and-her-therapeutic-technique-the-work.html. Hier gibt es auch Erfahrungsberichte von Menschen, die sich auf längere Schulungen bei Byron eingelassen haben. Dabei hat sich bei mir der Eindruck einer deutlichen Tendenz zu Manipulation verstärkt. Eine Analyse, die auch positive Aspekte von „The Work“ würdigt, findet sich unter: http://www.new-synapse.com/aps/wordpress/?p=315 (ebenfalls in englischer Sprache). Die Autorin weist unter anderem darauf hin, dass die Technik sich – wie es bei Methoden von Gurus üblich sei – gezielt jedem wissenschaftlichen Zugang verschließe, und dass Byron auf eine mögliche Verschlechterung von Problemen bei traumatisierten oder psychisch kranken Menschen weder vorbereite noch Rücksicht nehme. Byron sagt „The Work“ sei eine Technik, keine Therapie. Sie hat auch keine einschlägige Ausbildung durchlaufen. Ihr Ehemann spricht davon , dass sie keine Vorbilder gehabt habe und nur von ihrem „Erweckungserlebnis“ geformt und motiviert worden sei. Als Beleg dafür führt er an, sie lese keine Bücher3. An dieser Stelle war ich der Meinung, nun genug Informationen über Byron Katie gesammelt zu haben. Eines noch: „The Work“ ist ein ausgezeichnetes Geschäft. Zwar sind die Übungsblätter und Anfangsinformationen im Netz kostenlos zugänglich, aber Byrons Bücher haben enorm hohe Auflagen und die teuren Workshops, die sie regelmäßig mit Gruppen von mehreren hundert Personen hält, sind laufend ausgebucht.

  1. Dort sind auch ihre Bücher angeführt; das bekannteste heißt: Lieben, was ist; außerdem kann in zahlreichen You-Tube-Videos (in englischer Sprache) ihre Arbeit mit Klientinnen und Klienten beobachtet werden
  2. Die vier Fragen und Anleitungen für die „Umkehrungen“ finden sich auf der oben genannten Website unter: http://thework.com/sites/thework/deutsch/downloads/Arbeitsblatt_UrteileUberDeinenNachsten.pdf und http://thework.com/sites/thework/deutsch/downloads/Arbeitsblatt_UntersucheEineUberzeugung.pdf
  3. nachzulesen ist das auf der oben zitierten Website von Morten Tolboll. Dort gibt es auch den Hinweis auf den US-amerikanischen Persönlichkeitstrainer Ken Keyes, von dem vieles in Byrons Texten wörtlich oder sinngemäß übernommen ist

2 Antworten auf „Glaub nicht alles, was du denkst
„The Work“ von Byron Katie und meine Probleme damit“

  1. Vielen Dank, liebe Eva-Maria, für Deine Erläuterungen zu ihrer Arbeit!
    Ich kann mir vorstellen, daß ihre einfache Methode jem. zunächst dabei helfen kann, sich von verbitterten Anklagen zu lösen, also Distanz zu sich selbst zu gewinnen. Aber zur Vertiefung des Arbeitens an sich selbst reicht ihr Vorgehen natürlich bei weitem nicht aus.
    Daß sie so geschickt dabei ist, Geschäfte zu machen, ist mir unsympathisch. Ich werde nun vor Workshops über ihre Technik warnen.

  2. Hallo Evamaria,
    vielen Dank für deine Aufklärung über “ The Work“ von Byron Katie.
    Glaub nicht alles, was du denkst – ( entspricht nicht immer der Reali-
    tät und der Wahrheit.)
    Da kann ich Byron Katie voll und ganz zustimmen und sie sollte noch mal genauer ihre Gedanken und Gefühle auf Realität und Wirk-
    lichkeit überprüfen.
    Wenn sie z.B. sagt: “ Für mich bedeutet das Wort „Gott“ Wirklich-
    keit.“ – “ Die Wirklichkeit ist Gott, weil sie herrscht.“
    “ Alles, was außerhalb meiner oder deiner Kontrolle oder der Kon-
    trolle von irgendjemand sonst liegt, nenne ich Gottes Angelegenheit.“

    Mit freundlichen aberglaubensfreien buddhistischen Grüßen
    Uwe Meisenbacher

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