Warning: Undefined variable $open_graphite_head in /home/.sites/587/site434/web/wp-content/plugins/open-graphite/_open_graphite.php on line 619 Jason Siff: Das Meditieren entlernen – Säkularer Buddhismus

Jason Siff: Das Meditieren entlernen

jason siff Lehrerinnen und Lehrer ganz unterschiedlicher buddhistischer Traditionen wie Joseph Goldstein, Joan Halifax, Jack Kornfield und Stephen Batchelor empfehlen einmütig Jason Siffs Buch Unlearning Meditation 1.

Jason lebte jahrelang als buddhistischer Mönch in Sri Lanka, lernte dort Pali, meditierte und begann, andere in Meditation anzuleiten. Nach seiner Rückkehr nach Los Angeles im Jahr 1990 studierte er Psychologie und Psychotherapie und entschied nach einigen Praxisjahren, sich ganz den Unterweisungen in Meditation  zu widmen. Er gründete das Skillful Meditation Project 2 und begann, einen eigenen Zugang zur Meditationspraxis zu entwickeln. Er unterrichtet und publiziert in den USA, Kanada und Australien.
Unlearning Meditation ist auch nach unserer Meinung ein spannendes und inspirierendes Buch mit einem radikalen säkularen Ansatz. Zur Einführung in Jasons Denken und Arbeit folgen hier drei Artikel von seiner Website in leicht gekürzter deutscher Übersetzung 3.

1. Drei Bedingungen für unabhängige Meditationspraxis

Anstelle von Anweisungen (oder Regeln), denen gefolgt werden soll, gibt es drei Bedingungen, die Einfluss darauf haben, was jemand beim Meditieren tut. Diese drei Bedingungen sind leicht einsichtig, alltäglich und konkret: Sanftheit, Erlaubnis und Interesse.
Ich schlage vor, nicht alle drei gleichzeitig zu praktizieren, sondern fürs erste eine auszuwählen, von der aus die Meditation beeinflusst werden soll, und abzuwarten, wie dann die anderen ins Spiel kommen. Für die, die mit Meditation beginnen, ist Sanftheit geeignet. Wer bereits Meditationspraxis hat, könnte mit Erlaubnis anfangen, und wer während des Meditierens (und außerhalb) viel denkt, mit Interesse.
Damit sie hilfreich sein kann, sollte man sich vor Beginn dieser Übung darauf festlegen, diese Form der Meditation für mindestens eine Woche zu versuchen.

Sanftheit

Bei der Sanftheit in der Meditation geht es darum, wie man mit sich selbst umgeht. Viele Meditierende beginnen ihr Sitzen damit, direkt ins Umsetzen der Anweisungen einzusteigen, die sie gelehrt worden sind. Sie bringen ihre Aufmerksamkeit nicht einfach zum Atem, zu einem Mantra oder einer Visualisierung, sondern forcieren das. Hinter diesem Forcieren stehen Aggression, Druck, Getriebensein oder einfach Spannung. Und wenn  die Sache nicht gut läuft, neigen sie dazu, sich mit Gedanken des Versagens und mit Selbstzweifeln zu bestrafen.
Um eine Meditationssitzung mit Sanftheit zu beginnen, könnte man einen Übergang zulassen. Woran du vorher gedacht hast, wird sich natürlich am Anfang des Sitzens fortsetzen. Viele Meditierende beginnen mit dem Versuch, alle Gedanken zu stoppen; wenn Gedanken entstehen, werden sie als Ablenkungen wahrgenommen. An genau dieser Stelle kommt Sanftheit ins Spiel. Die Gedanken, die da auftauchen, sind nicht Ablenkungen, denn sie sind deine Gedanken, und die meiste Zeit außerhalb der Meditation bist du derjenige, der sie denkt,  sie als Basis für sein Handeln nutzt und mehr von ihnen hervorbringt. Du könntest sie in der Meditation begrüßen wie einen Freund, eine Verwandte oder auch jemanden, den du vielleicht nicht unbedingt in deinem Haus haben willst.
Wie man eine Meditationssitzung sanft beginnt
A. Suche dir eine bequeme Haltung aus, die dir keine Schmerzen verursacht oder dich veranlasst, die Haltung während des Meditierens zu wechseln. Du kannst auf einem Sessel sitzen, eventuell mit Rückenlehne, oder am Rücken liegen. Welche Haltung auch immer du wählst: sie sollte sanft für deinen Körper sein. Wenn du dich während des Sitzens bewegen musst, mach dir den Schmerz oder das Unbehagen, das dazu führt, bewusst, und bewege dich erst dann, langsam und bedächtig, sodass die Bewegung möglichst wenig stört.
B. Wähle eine Zeitdauer für die Meditation, mit der du leicht beginnen kannst. Eine Stunde ist üblicherweise zu lang, fünf Minuten sind sicher zu kurz. Die meisten Menschen finden 20 – 30 Minuten gerade richtig. Verwende einen sanft klingenden Wecker oder schau gelegentlich auf eine Uhr. Wenn du vor dem Ende ruhelos wirst, ängstlich oder extrem gelangweilt, erlaube dir, die Sitzung vorzeitig zu beenden. Und wenn du die Sitzung über die gesetzte Zeit verlängern willst, achte darauf, dass du zwischen dem Ende der Sitzung und dem, was du nachher tun willst, genug Zeit hast.
C. Sitz mit geschlossenen Augen, das wird den meditativen Prozess erleichtern und dich die anderen Sinne stärker beachten lassen. Du könntest dann die Aufmerksamkeit auf die Vorderseite deines Gesichtes richten, auf die Hände, die auf deinen Beinen  oder übereinander liegen, oder auf die Beine und Füße, die den Polster berühren, auf dem du sitzt. Aber halte deine Aufmerksamkeit nicht dort, und schalte nie Gedanken, Gefühle, oder die Wahrnehmung von Tönen aus, um zur Körperwahrnehmung zurückzukehren. Stell dich nur darauf ein, die Wahrnehmung deines Körpers leicht zu bevorzugen, während du deine Gedanken und Gefühle zulässt.
D. Lass deinem Geist Zeit für den Übergang von dem, was du vor dem Sitzen getan und gedacht hast. Dieser Übergang kann frische Erinnerungen enthalten, Gespräche, die du gerade geführt hast, Arbeit, die du getan, Pläne, die du gemacht hast, Listen von Dingen, die zu erledigen sind, Gefühle von Ärger, Schmerz oder Wut genauso wie Gefühle der Hoffnung, des Verlangens und der Liebe, um nur ein paar der Themen zu nennen, die dich zu jedem beliebigen Zeitpunkt beschäftigen können. Mag sein, dass du dir Sorgen machst, der Übergang könnte überhaupt kein Übergang sein, sondern dich für die ganze Zeit des Sitzens beschäftigen. Wenn du sanft mit allem umgehst, was in dir vorgeht, wenn du dich zum Meditieren hinsetzt, wird es sich mit der Zeit zum Besseren verändern. Wenn du aber mit deinen Gedanken und Gefühlen ungeduldig bist und sie zu stoppen versuchst, oder irgendetwas zu tun, damit sie verschwinden, kann es darauf hinauslaufen, dass du hart mit dir selber bist und so die Probleme aufrecht erhältst. Wenn sanfter Umgang mit ihnen sie nicht stoppt, führt er zumindest zu weniger negativer Selbstbeurteilung.

Erlaubnis

Es ist dir erlaubt, die Meditationspraxis deiner Wahl anzuwenden, oder es sein zu lassen.
Praktisch alle Menschen, die mit dem Meditieren beginnen, bekommen Anweisungen, denen sie folgen sollen, und sie folgen ihnen. Wenige rebellieren gegen die Anweisungen oder die Lehrerin; die meisten glauben, sie müssten speziellen Vorschriften folgen, um richtige Ergebnisse zu erzielen. So entsteht eine Atmosphäre von Konformität, in der jeder derselben Anweisung folgt, oder es bilden sich Fraktionen, wenn Schüler verschiedener Lehrer in großen Gruppen zusammenkommen.
Sehr wenige Lehrer akzeptieren wirklich alle „heilsamen“ Meditationspraktiken als wertvoll. Auch wenn sie Menschen erlauben, andere Methoden anzuwenden als die, die sie lehren, werden sie dennoch ihre eigene Methode für richtig oder für die beste halten. Ich habe mehrere Jahre als Meditationslehrer dafür gebraucht, mit diesem Problem zurande zu kommen. Ich lehre nicht eine bunte Mischung von Meditationstechniken, wie es einige Meditationslehrer tun, die sich dem Problem damit nicht wirklich gestellt haben. Anstatt dessen lehre ich einen Weg, die verschiedenen Meditationspraktiken zu erforschen, die jemand bisher angewendet hat oder anwendet.
Um verschiedene Meditationspraktiken zu erforschen, muss man sie anwenden. Meine Schüler haben also die Erlaubnis, mit denen weiterzumachen, die sie gelernt haben. Nur  sollten sie jetzt versuchen, diese zu überprüfen und einige der Gewohnheiten ihres Geistes zu erkennen, die sie bei deren Anwendung entwickelt haben. Sie haben auch die Erlaubnis,  mit früheren Praktiken nicht fortzufahren. Sie können tun, was immer für sie notwendig ist. Und sie können gegen meinen Zugang rebellieren, soviel sie wollen.

Was hier geschieht ist, dass die Schüler unabhängig werden. Sie sind nicht abhängig von mir und einer „richtigen“ Anweisung. Anstelle dessen bilden sie eine Beziehung mit mir, in der wir beide ernsthaft daran interessiert sind, was Meditation für sie bedeutet. Ich höre Menschen zu, die auf ihre Weise meditieren, nicht auf meine. Ich helfe ihnen zu sehen, was sie beim Meditieren tun, und dadurch wird ihnen klarer, wie geschickt (oder ungeschickt) sie sich dabei anstellen.
Die bedauerlichen, aber notwendigen Konsequenzen der Unabhängigkeit sind Verwirrung, Unsicherheit und Zweifel. Wenn ich eine meditierende Person über ihre Verwirrung sprechen höre, höre ich jemanden, der sich ernsthaft mit Meditation beschäftigt und sich darum bemüht, seine Erfahrungen zu verstehen. Wenn jemand von Unsicherheit spricht, höre ich, dass oberflächliche Sicherheiten, Überzeugungen und Glaubenssätze keinen Einfluss mehr auf ihn haben. Er ist bereit zu ehrlicher Selbst-Erkundung. Und wenn ich jemanden zweifeln höre, ob er jemals durch Meditation zum Erwachen kommen werde, erkenne ich einen Menschen, der sich selbst zu sehen beginnt, wie er ist, und wahrnimmt, wie weit entfernt Erwachen zu sein scheint, wenn man ehrlich zu sich selbst ist.
Wie man eine Meditationssitzung mit Erlaubnis beginnt
A. Du hast die Erlaubnis zu meditieren wie bisher. Wenn du dich irgendwann während des Sitzens entscheidest, nicht in deiner gewohnten Art zu meditieren, kannst du den Punkten A bis D aus dem obigen Abschnitt über Sanftheit folgen.
B. Mache dir immer wieder während des Sitzens (alle 5 – 10 Minuten) bewusst, was du getan hast. Wenn du also zum Beispiel den Atem gezählt hast, rufe dir ins Gedächtnis, wie du das getan hast, welche Art von Erfahrung das war und was dich dazu bringt, deinen Atem zu zählen. Bei einer solchen Reflexion kann es sein, dass du nicht viel wahrnimmst. In diesem Fall forciere nichts und fahre einfach mit der Praxis fort, die du gerade übst.
C. Nimm dir nach dem Ende des Sitzens ein paar Momente Zeit, um darüber zu reflektieren. Richte deine Aufmerksamkeit darauf, wie du den Anweisungen gefolgt bist und was deine „ehrliche“ Erfahrung dabei war.

Interesse

Man könnte es auch fokussiertes Denken nennen, und es zeigt sich vielleicht in normalen Problemlösungsstrategien wie Grübeln, Sinnieren etc. Es ist wichtig, diese Art des Denkens weitergehen zu lassen. Abgesehen davon, dass  dahinter üblicherweise eine Menge Impulsenergie steckt, ist es letztendlich die Art, wie unser Geist sich im Umgang mit  Dingen“intelligent engagiert“.
Dieser ganze Bereich des fokussierten Denkens in der Meditation ist mit Schwierigkeiten befrachtet. Östliche Praktiken empfehlen üblicherweise, „das Denken zu überwinden“, da sie davon ausgehen, es stünde im Gegensatz zu innerem Verständnis. Westliche Traditionen haben meist mehr Sympathie mit „fokussiertem Denken“, und unser Verbum „meditieren“ bedeutet ja: „überlegen, betrachten, reflektieren“.
Überlegen, betrachten und reflektieren sind Formen fokussierten Denkens, da sie eine Art von Konzentration (also kontinuierliche Fokussierung auf eine Sache) erfordern. Wenn sie in Meditationspraktiken angewendet werden, werden sie üblicherweise mit „Objekten“ versehen, über die nachgedacht, betrachtet oder reflektiert werden soll. Was östliche Praktiken in diesem Zusammenhang anzubieten haben sind Formen, sich des Akts (oder des Prozesses) fokussierten Denkens bewusst zu werden. Aber was in solchen Praktiken oft fehlt ist die Erlaubnis, fokussiert über Dinge nachzudenken, von denen ausgehend die Natur fokussierten Denkens beobachtet und studiert werden kann.
Dem Geist zu gestatten, sich als Teil des meditativen Sitzens mit fokussiertem Denken zu beschäftigen, ist daher Bedingung für jede ernsthafte Untersuchung des Denkprozesses, wenn dies auch anfangs mehr als Nachteil oder Hindernis als als Vorteil erscheinen mag, und zwar aus verschiedenen Gründen. Der gängigste Grund ist, dass es bei der Meditation um „meditative Zustände“ geht, und von „fokussiertem Denken“ wird üblicherweise nicht angenommen, dass es „meditativ“ sei. Dieser Blick auf das Denken unterstützt effektiv eine Aversion gegen das Denken, wobei es keinen Raum für Sanftheit gibt. Ein anderer Grund ist, dass die Erfahrung, zu sitzen und zu denken, so aussehen kann, als würde sie sich nicht von müßigem Tagträumen unterscheiden. Das stimmt. Für manche mag tatsächlich wenig Unterschied bestehen zwischen den Erfahrungen des „Denkens in der Meditation“ und Tagträumen. Was diese beiden geistigen Aktivitäten jedenfalls unterscheidet, ist, dass Meditation mit der Absicht geübt wird, mehr Bewusstheit über die eigene innere Welt zu entwickeln, während Tagträumen dazu dient, sich angenehm zu zerstreuen. Ein letzter Grund dafür, dass die meisten Meditierenden fokussiertes Denken als ein Hindernis ansehen, liegt darin, dass es üblicherweise mit einem „Selbst“ einhergeht, mit dem man in der Meditation nicht ganz zufrieden ist (auch wenn es außerhalb der Meditation meist akzeptiert wird). Es ist das „alltägliche Selbst“ hinter den fokussierten Gedanken, von dem man in der Meditation frei sein will. Aber der Weg zu dieser Freiheit liegt nicht in Ablehnung des Denkens, denn wie bei der vielköpfigen Hydra wachsen zwei Köpfe nach, wenn einer abgeschlagen ist (einer ist der erneut einsetzende Gedankenfluss und der andere die Urteile über das denkende Selbst).
Wie man eine Meditationssitzung mit Interesse beginnt
A. Setz dich, lehne dich an oder leg dich hin in bequemer Haltung. Schließe die Augen. Lass dich denken. Versuch nicht, über irgendetwas zu nachzudenken; lass nur deinen Geist denken, was er will.
B. Versuche, während des ganzen Sitzens (15 – 30 Minuten), deinen Körper und deine Glieder nicht zu bewegen. Wenn du dich doch bewegen musst, dann tu es langsam und bedächtig.
C. Wenn irgendwann während des Sitzens dein Denken zersplittert, chaotisch, träumerisch oder auch nur weniger deutlich wird, dann lass diese Erfahrungen sich fortsetzen ( die Anweisungen für die Bedingung der Sanftheit können hier gebraucht werden). Wenn fokussiertes Denken wiederkehrt, und das wird es irgendwann bestimmt, dann meditiere mit der Erlaubnis zu tun, was immer dir nötig scheint. Wenn es dir nötig scheint, mit dem Denken zu gehen, dann tu das; wenn es dir nötig scheint das Denken „loszulassen“, lass los und lass es von selbst abklingen; wenn es dir nötig scheint, es zu erkunden, dann lass dich über das Denken nachdenken, das von alleine weitergeht.
D. Nimm dir nach dem Ende des Sitzens ein paar Minuten Zeit, dich darauf zu besinnen, worüber du während des Sitzens nachgedacht hast. Versuche, ein Gefühl dafür zu bekommen, was die üblichen Themen deiner Gedanken sind (Arbeit, Beziehungen, Pläne, Erinnerungen… etc.), und wie diese Themen sich während des Sitzens geändert haben (z.B. von Arbeit zu Beziehungen zu Erinnerungen). Du brauchst sie nicht nieder zu schreiben, außer das hilft dir bei der Besinnung. Und du brauchst dabei nicht ins Detail zu gehen, für den Anfang reicht es, sich das übliche Muster „fokussierten Denkens“ bei Sitzen bewusst zu machen.

 

Meditation

2. Grundlegende Meditationsanleitungen

Bewegung und Ruhe

Wir beginnen, indem wir einen Unterschied machen zwischen Bewegung und Ruhe. Im Sitzen mit geschlossenen Augen bitte ich dich, der Ruhe den Vorzug zu geben, während du zulässt, dass Bewegung (Gedanken, Gefühle, Atmung…) ununterbrochen weitergeht. Was du leicht als Ruhe erkennen kannst, wird anfangs der externe physische Kontakt sein, den du an bestimmten Kontaktpunkten spürst. Du kannst mit einem der beiden folgenden anfangen:

  1. die Berührung deiner Hände in deinem Schoß oder auf deinen Knien
  2. die Kontaktpunkte von Beinen, Füßen und Gesäß mit dem Polster oder dem Boden

Den Vorzug zu geben bedeutet einfach die Absicht, die Ruhe der Kontaktpunkte für sich in den Vordergrund zu stellen, während Gedanken und Gefühle kommen, bleiben und gehen dürfen, wie sie wollen. Es ist wesentlich, der Erfahrung des still sitzenden Körpers den Vorzug zu geben, auch wenn dein Geist immer nur für Sekunden in diese Stille eintauchen kann. Auch wenn du der Ruhe des sitzenden Körpers den Vorzug gibst, kann es sein, dass deine Gedanken und Gefühle weiterhin einen großen Teil deiner Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, und das ist dann genau deine Erfahrung und braucht nicht verändert zu werden.
Wenn du diesen Anleitungen folgst, machst du möglicherweise die Erfahrung, dass dein Geist während längerer Perioden sehr aktiv ist, was es dir schwer macht, auch nur für ein paar Sekunden bei deinen Kontaktpunkten zu bleiben. Mag sein, dass du dich fragst, ob das Sitzen mit all diesem geistigen Geschwätz wirklich Meditation ist; ich versichere dir, das ist es. Wir können unseren Geist nicht zwingen, still zu sein, denn das würde nur mehr Aufregung, Spannung, Aggression und Ablehnung der eigenen Person erzeugen. Auf diesem Weg zu mehr Frieden und Stille benutzen wir von Anfang an friedliche Mittel.
Gleichzeitig mit der Anleitung, beim Sitzen der Ruhe des Körpers den Vorzug zu geben, schlage ich den Menschen meist vor, sich ihre Erwartungen und Ideen von Meditation bewusst zu machen und bereit zu sein zu lernen, was es bedeutet,  ohne jedes Ziel, jeden Plan und jede Absicht zu sitzen. Erlaube einfach dem Meditationsprozess selbst, sich zu entfalten, ohne zu versuchen, ihn zu kontrollieren oder zu beurteilen, obwohl Versuche der Kontrolle und der Beurteilung dessen, was geschieht, passieren werden. Es gibt keine Möglichkeit, diese Praxis falsch zu machen, außer dauernd zu versuchen, die Meditationserfahrung zu kontrollieren, anstatt sie einfach so zu lassen, wie sie ist. Durch diesen Zugang wirst du einen natürlichen Weg finden, in deiner Erfahrung zu sein, aber nicht ausschließlich, und mit der Zeit wirst du ein größeres Spektrum innerer Erfahrung, die Fähigkeit, zu tolerieren, was immer in deinem Geist entsteht, und ein umfassenderes Bewusstsein der bedingten Natur deiner Welt entwickeln.

Sich im Nachhinein auf die Meditationssitzung besinnen

Früher habe ich empfohlen, die Meditationserfahrungen während des Sitzens zu reflektieren. Ich habe gesehen, dass das für den Anfang kein guter Weg ist, weil es ein gewisses Maß von Druck und Spannung erzeugen kann, das, was beim Sitzen geschieht, zu unterbrechen, um sich auf das zu besinnen, was gerade geschehen ist. Anstatt dessen schlage ich vor, deine Meditationssitzung ohne festgesetzten Eingriff so weit wie möglich ihren eigenen Lauf nehmen zu lassen, und sie dir nach ihrem Ende in Erinnerung zu rufen.
Nimm dir nach jeder Meditationssitzung ein paar Augenblicke Zeit um dich still darauf zu besinnen, was geschehen ist. Beginne damit, dir in Erinnerung zu rufen, was sich leicht in Erinnerung rufen lässt und versuche dann, andere Teile der Sitzung zu rekonstruieren, an die du dich nicht so leicht erinnerst. Ein beträchtlicher Anteil jeder Sitzung wird sich wahrscheinlich nicht abrufen lassen, also gib dich mit dem zufrieden, woran du dich sicher erinnerst. Und: bei der Besinnung ist Genauigkeit nicht so wichtig wie Ehrlichkeit. (Damit meine ich, dass es weniger wichtig ist, Details genau zu rekonstruieren, als ein „ehrliches“ Bild davon zu bekommen, was vor sich gegangen ist).
Um diesen Prozess der Besinnung zu unterstützen, könntest du dir vielleicht die Zeit nehmen, das, woran du dich von einer Sitzung erinnerst, in einem Meditationstagebuch nieder zu schreiben.

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3. Über diesen Zugang zu Meditation und wie er gelehrt wird

Ich habe Meditation auf diese spezielle Art seit fast zwei Jahrzehnten gelehrt und würde es auf keine andere Weise tun. Ich glaube aus ganzem Herzen an diese Form der Meditation und habe immer wieder ihren Nutzen für mich und andere gesehen. Sie hat ihre Wurzeln in Vipassana-Meditation, wie man sie in der Mahasi-Methode (üblicherweise bekannt als „Einsichtsmeditation“ oder „Achtsamkeitsmeditation“) finden kann, aber sie ist in vieler Hinsicht die Antithese zu dieser Form der Meditation. Ich bin für diesen Zugang viele Namen durchgegangen und kann noch immer keinen finden, der ihn ganz trifft. Aber hier sind die Namen und worauf sie sich bezogen haben:

  1. Analytisches Bewusstheit: Bewusstheit über die eigenen Meditationserfahrungen, die zu einer Analyse (in der Bedeutung von „Erforschung“) führt.
  2. Das Meditieren „entlernen“: der Prozess, bei dem man sich seine gegenwärtige Meditationspraxis genauer ansieht und und imstande ist, verschiedene Gewohnheiten des Geistes wahrzunehmen, die durch diese Praxis entstehen. Dies kann dazu führen,  Aspekte dieser Praxis, die die eigene meditative Entwicklung in eine Sackgasse manövriert haben, schrittweise aufzugeben.
  3. Kundige Meditation: ein flexibler Zugang zu Meditation, bei dem man zulässt, dass Erfahrungen sich formen und bewusst werden, bevor man in seinen Meditationssitzungen „kundige“ Entscheidungen trifft. Ich glaube, dass dieser Zugang es erfordert, „Bewusstheit durch Besinnung“  zu entwickeln und die Anfänge davon, das Meditieren zu „entlernen“.
  4. „Anupassana“: Ich gebrauche das Pali-Wort „Anupassana“ zur Unterscheidung von „Vipassana“. Wenn es auch eine Form der Vipassana-Meditation ist, wird Vipassana heute entweder  als die Goenka-Methode des Body-Scans oder die Mahasi-Methode des Beobachtens verstanden.

Wie er gelehrt wird

Ich habe mit diesem Zugang in den letzten Jahren Lehrerinnen und Lehrer angeleitet und zwar  in folgender Weise:
Wir üben in kleinen Gruppen mit nicht mehr als 15 Personen, die durchschnittliche Gruppengröße liegt bei 5 – 10 Personen. Es gibt Sitzperioden von 20 – 40 Minuten Länge, darauf folgen Perioden, bei denen die Menschen in der Gruppe  über ihre Meditationssitzungen sprechen. Das ist aber kein gemeinschaftlicher Austausch; es ist die Erforschung der Meditationssitzung eines Individuums. Wir haben normalerweise höchstens Zeit für die Erforschung  der Erfahrungen von 2 – 3 Personen aus der Gruppe während einer dieser  Berichtsperioden.
Die Person, die berichtet, bekommt diese einfachen Instruktionen:

  1. Du hast soviel Zeit, wie du brauchst, also lass dir Zeit.
  2. Beschreibe deine Erfahrung mit deinen eigenen Worten und versuche, Konzepte oder schematische Begriffe zu vermeiden. Man könnte zum Beispiel von „Ruhelosigkeit“ während des Sitzens sprechen. Versuche, Gefühle, Gedanken und Empfindungen, die damit verbunden sind, zu beschreiben, anstatt dich mit dem schematischen Begriff „Ruhelosigkeit“ zufrieden zu geben. Das mag einige Anstrengung kosten, ist aber sicher der Mühe wert.
  3. Über persönliche Dinge brauchst du in der Gruppe nur so weit zu sprechen, wie es für dich wirklich passt. Du brauchst nichts Schmerzhaftes, Beschämendes oder Privates aufzudecken, wenn du dazu nicht bereit bist. Und das ist nur dann der Fall, wenn es während der Meditationssitzung aufgetreten ist oder Hintergrundmaterial  für das bietet, was du während des Sitzens erlebt hast.

Die Gruppe bekommt nur diese eine einfache Instruktion:

Hör zu, was die berichtende Person sagt, ohne sie zu unterbrechen oder Fragen zu stellen. Es mag sein, dass die Person Erfahrungen ausdrückt, die denen ähnlich sind, die du in der Meditation gemacht hast. Nütze dies als eine Gelegenheit, über diese Meditationserfahrungen nachzudenken und lerne daraus.

klangschale

Jason Siff formuliert ausdrücklich, dass er für Rückmeldungen auf seiner Website (s.u.) über die Anwendung dieser Methode dankbar wäre.

 

  1. Siff, Jason: Unlearning Meditation. What to do when the instructions get in the way, Shambala 2010. Eine deutsche Übersetzung gibt es – noch? – nicht
  2. http://www.skillfulmeditation.org/
  3. Jason Siffs Website ist unter einer Creative Commons Lizenz 3.0 verfügbar. Für die Übersetzung: Evamaria Glatz

Eine Antwort auf „Jason Siff: Das Meditieren entlernen“

  1. Meditieren kann man bei einfachen Arbeiten. Wer nur herumsitzt und „meditiert“, verbringt die übrige Zeit mit einfachen Arbeiten und hat keine Zeit mehr für höhere Arbeiten, die ihn zum Menschen machen.

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