Warning: Undefined variable $open_graphite_head in /home/.sites/587/site434/web/wp-content/plugins/open-graphite/_open_graphite.php on line 619 Stephen Batchelor: Über das Selbst – Säkularer Buddhismus

Stephen Batchelor: Über das Selbst

Wann immer mir bisher während eines Retreats oder beim Lesen der Begriff des „leeren Selbst“ untergekommen ist, blieb er mir fremd – ich konnte damit nichts anfangen. Okay, anatta ist neben anicca, der Unbeständigkeit, und dukkha eines der drei „Daseinsmerkmale“ im Buddhismus, das wusste ich. In der Praxis habe ich um das „leere Selbst“ ein wenig ehrfürchtig, aber doch eher verständnislos einen Bogen gemacht. David Loy schreibt, dass wir Menschen uns aus Geschichten zusammensetzen, und dass wir dabei immer wieder um unser „Selbst“ kreisen – so erschaffen wir unsere Identität 1. Das hat mich nun zum Nachdenken gebracht und ich habe begonnen, darüber nachzulesen und nachzudenken. Worauf ich dabei gestoßen bin, möchte ich in einer kleinen Serie von Beiträgen hier zusammenfassen. Beginnen werde ich mit der teilweisen Übersetzung eines Talks von Stephen Batchelor über das Selbst, bei dem er von Buddhas Lehre vom Mittleren Weg ausgeht 2: stephen batchelor2

Buddhas Lehre vermeidet Sätze wie „Das ist“ und genauso „Das ist nicht“, Zustimmung genauso wie Negation. Wenn wir bewusst wahrnehmen: Dinge entstehen, können wir nicht sagen: „Da ist nichts“, und wenn wir wahrnehmen, dass Dinge vergehen, können wir nicht sagen: „Da ist etwas“. Es geht hier darum, dass die Kategorien von Sprache die fließende, sich verändernde Natur unserer unmittelbaren Erfahrungen nicht fassen können. Die Grammatik unserer Sprachen basiert auf Aussagen wie: „ist“ oder „ist nicht“, sie kann den Rhythmus des Entstehens und Vergehens des Lebens nicht adäquat wiedergeben. Der Mittlere Weg liegt also nicht nur zwischen Genusssucht und Askese, sondern es geht auch um einen Mittleren Weg zwischen „Ist“ und „Ist nicht“. Wenn man auf einer Weltsicht besteht, die auf einem Satz basiert wie: „Das ist die Natur dessen, was ist“, oder aber auf einer Weltsicht: „Grundsätzlich gibt es gar nichts“ endet man in einer Sackgasse. Der Mittlere Weg bedeutet also nicht nur, Extreme zu vermeiden, sondern eigentlich ist es der einzig mögliche Weg – wenn du ihn verpasst, landest du in einer Sackgasse. Der Mittlere Weg ist Ausdruck für die beständige, fließende Lebenserfahrung selbst. Hier liegt die Quelle für den Begriff der Leere. Der Ausdruck Leere als solcher schafft oft mehr Probleme, als er löst. Buddha gebraucht ihn selten. Der Philosoph Nagarjuna, der dieses Konzept weiterentwickelt hat, sagt: Leere ist das Loslassen von Meinungen. Menschen, die an Leere glauben, sind unheilbar. Leere ist eigentlich ein Leeren. Die Idee des Seins loslassen, die Idee des Nichtseins loslassen und sich dem zu überlassen, wie das Leben selbst sich entfaltet. In diesem Prozess gibt es nichts, worauf man sich berufen kann und sagen: Das bin ich wirklich. Das heißt aber nicht, dass ich nicht existiere. Der Mittlere Weg liegt genau dazwischen. Für Buddha ist das Selbst ein Projekt, das zu verwirklichen ist und nicht ein Zustand, der nach Bestätigung oder Ablehnung verlangt. Als der Buddhismus zu einer Religion wurde, entwickelte er orthodoxe Metaphysik. In manchen Schulen wurde es zum Ziel von Meditation, einen Zustand zu erreichen, in dem der Geist mit der Wahrheit der Dinge in Einklang ist. Wenn du dorthin kommst – und die Wahrheit ist dann, was orthodoxe Schulen als solche entwickeln – dann bist du erleuchtet. Ich halte das für einen großen Fehler. Ich glaube nicht, dass Buddha daran interessiert ist, die Natur von Wahrheit herauszuarbeiten. Er ist daran interessiert, eine Lebensform zu entwickeln, die jeden Wahrheitsanspruch vermeidet. Er will uns dazu verhelfen, unsere Erfahrungswelt durch Handeln zu öffnen. Von daher können wir viel besser verstehen, was er mit „Selbst“ meint. Buddha illustriert dieses Verständnis sehr schön in Vers 80 des Dhammapada:

Wie ein Bauer sein Feld bewässert, wie ein Pfeilmacher einen Pfeil formt, wie ein Tischler ein Stück Holz bearbeitet, so zähmt der Weise das Selbst.

Wir sind wie ein Feld, wie ein Pfeil, wie ein Holzstück, und unsere Aufgabe mit dem Selbst ist, es zu bewässern, es zu formen, es zu bearbeiten.

  1. s. der Blog-Eintrag darüber: Die Welt besteht aus Geschichten
  2. http://www.dharmaseed.org/teacher/169/?search=self . Übersetzung mit Zustimmung des Autors: Evamaria Glatz

Eine Antwort auf „Stephen Batchelor: Über das Selbst“

  1. Ich freue mich auf Deine Beiträge zu diesem wichtigen Thema, Evamaria! (Hab gerade einiges über meine Einstellung zu diesem Thema geschrieben, aber es hat sich selbst gelöscht. War auch nicht so wichtig. Nun warte ich erstmal ab.)

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