Warning: Undefined variable $open_graphite_head in /home/.sites/587/site434/web/wp-content/plugins/open-graphite/_open_graphite.php on line 619 Über berechnende und meditative Haltung: von Stephen Batchelor – Säkularer Buddhismus

Über berechnende und meditative Haltung:
von Stephen Batchelor

faith to doubtFragen 1 Es ist höchst ungewöhnlich, dass wir imstande sind, Fragen zu stellen. Zu fragen bedeutet ja einzugestehen, dass wir etwas nicht wissen. Und es ist mehr als ein Eingeständnis: es bedeutet, dass einen danach verlangt, sich etwas Unbekanntem zu stellen und es durch Verstehen zu erhellen. Fragen zu stellen bedeutet, nach etwas zu streben. Es macht einen ersten Schritt ins Dunkle und fährt dann fort, sich einen Weg vom Unwissen in Richtung Klarheit zu bahnen, von Verwirrung zum Wiedererkennen, von Fremdheit zur Vertrautheit. Es erzeugt den ersten Riss im Schleier des Unbekannten. Fragen zu stellen schafft eine Öffnung, durch die das Licht der Weisheit scheinen und eindringen kann. Es offenbart gleichzeitig unsere Beschränkungen und unseren Drang, sie zu überwinden. Berechnende Haltung Es gibt zwei unterschiedliche Weisen des Fragens. Die gebräuchliche Art ist jene, die die Probleme löst, die uns im Alltagsleben begegnen. Wenn etwas nicht so funktioniert, wie wir das erwarten, fragen wir uns, warum und beginnen, die Ursachen für den Misserfolg zu suchen. Wenn wir auf etwas stoßen, dem wir noch nie begegnet sind, sind wir verwirrt und fragen uns, was los ist. Diese Art von Fragen entsteht aus Neugier. Normalerweise vertrauen wir darauf, dass eine Antwort in unserer Reichweite liegt; es geht nur darum, das herauszufinden. Wir können alle praktischen Fähigkeiten anwenden, die wir erlernt haben, dazu auch die Kräfte unserer Vernunft und unserer Erinnerung, und uns auf die stetig wachsende Menge von Wissen verlassen, die durch andere gesammelt und gespeichert worden ist. Diese Art des Fragens führt auf einen bestimmten Weg. Wir bestimmen, welche Möglichkeiten vor uns liegen, wir schließen auf größere Wahrscheinlichkeiten. Wir eliminieren bestimmte Wahlmöglichkeiten durch Versuch und Irrtum oder durch einfaches Schlussfolgern. Nach jedem Schritt, den wir erledigt haben, berechnen wir unseren nächsten Zug, bis das Problem schließlich gelöst und unsere Neugier durch die Befriedigung, zu wissen, ersetzt ist. Dieser berechnende Zugang ist in unserer Gegenwart immer dominanter geworden. Die Fortschritte wissenschaftlicher Forschung und Technologie sind dadurch möglich geworden, dass die Möglichkeiten von Berechnung und deren Anwendungen perfektioniert worden sind. Da unsere Welt immer stärker von technischen Errungenschaften dominiert wird und wir zunehmend abhängig von ihnen werden, wird die Rolle, die eine berechnende Haltung in unserem Leben einnimmt, immer bedeutender. heideggerAber es gibt eine andere Art, zu fragen und zu denken. In einer 1955 gehaltenen Rede hat Martin Heidegger das klar zusammengefasst 2:

Berechnendes Denken kalkuliert. Es berechnet immer neuere, immer vielversprechendere und gleichzeitig ökonomischere Möglichkeiten, es hetzt von einer Perspektive zur nächsten. Berechnendes Denken hält niemals inne, sammelt sich nie. Berechnendes Denken ist nicht meditatives Denken, das den Sinn all dessen beherrscht, was ist.

Heidegger hält berechnendes Denken für insofern gefährlich, als es

…eines Tages als die einzige Art des Denkens akzeptiert und praktiziert werden könnte…dann hätte der Mensch seine eigene Natur als meditatives Wesen geleugnet und weggeworfen…Es geht also darum, die eigentliche Natur des Menschen zu retten, also darum, meditatives Denken am Leben zu erhalten.

Viele Leute halten einen meditativen Zugang zum Leben für weltfern und realitätsfremd. Er gehöre in die Provinz der Mystik und der Philosophen. Unabhängig davon, wie tiefsinnig er auch zu sein scheine, habe er keinen Einfluss auf den Verlauf aktueller Ereignisse. Die Tatsache, dass Meditation oft kritisch oder gar zynisch gesehen wird, zeigt nur noch mehr, in welchem Maße sich heute berechnende Haltung in den Köpfen der Menschen durchsetzt und ihre Bewertungsstandards prägt. Diese unsere Welt, zur Zeit wie wahnsinnig vom Dämon der Berechnung getrieben, entledigt sich spiritueller Werte und rast in eine gefahrvolle Zukunft. Wäre es da nicht an der Zeit, genauer zu erwägen, wie unsere Haltungen sich darauf auswirken, wie unser Leben sich entfaltet? Berechnende Haltung neigt dazu, manipulativ zu sein. Sie geht mit dem Leben so um, als wäre es aus einer so gut wie unendlichen Anzahl voneinander getrennter Teile zusammengesetzt. Diese Einstellung wirkt nicht nur im Bereich des Materiellen; sie betrifft unsere Sicht auf andere Leute und auch auf uns selbst. coque iphone Sie fragmentiert und trennt, sie macht lebende Wesen zu Dingen. Um effektiv berechnen zu können, müssen wir unsere Objekte mit jener Präzision vermessen, die für das endgültige Ziel, sie erfolgreich zu manipulieren, erforderlich ist. Um die verschiedenartigen Elemente der Wirklichkeit zu kontrollieren, müssen wir sie als getrennte Einheiten sehen, die zerlegt und angehäuft, verworfen und erlangt werden können. Die Fähigkeit, genau zu berechnen, ist an sich nicht schädlich. Sie verzerrt und verblendet nur dann, wenn ihre Bedeutung so übertrieben wird, dass sie nicht als eine Möglichkeit unter anderen gesehen wird, sondern ihren Schatten über fast alle Bereiche menschlicher Aktivität wirft. Solange Berechnung nicht überschätzt wird, kann sie als hilfreiches Werkzeug dienen, mit dem viele praktische Aufgaben bewältigt werden können. Aber sie ist eindeutig gefährlich, wenn sie zu unserer vorherrschenden Haltung dem Leben als Ganzem gegenüber wird. Wenn unsere Sicht auf die Zukunft und unsere moralischen Entscheidungen nur von berechnender Haltung bestimmt sind, dann sind wir ernsthaft in Gefahr, unsere unsichere Position bei der Suche nach gelassenerem, kontemplativerem Umgang mit dem Leben ganz zu verlieren. Berechnende Haltung kann unsere Probleme lösen, ist aber ohnmächtig wenn es darum geht, unsere Geheimnisse zu durchdringen. Dem Geheimnisvollen gegenüber können wir uns nicht auf logische oder technische Mittel verlassen, um Einsicht zu erlangen. Denn wenn wir versuchen, ein Geheimnis zu durchdenken, verliert es seine Natur und wird zu einem einfachen Problem. Je allgegenwärtiger Berechnung in unserem Leben wird, desto mehr wird das Geheimnisvolle verdrängt. Und wenn das Gefühl für das Geheimnis des Lebens matt und vage wird, nimmt unsere Fähigkeit zu meditieren ab, bis zu dem Punkt, an dem Meditation in die Randbereiche der Existenz verbannt wird. Aber das Geheimnisvolle liegt im Herzen unseres Lebens, nicht an der Peripherie. Und seine Gegenwart können wir nur spüren, wenn eine meditative Haltung in uns noch lebendig ist. Anders als ein Problem kann ein Geheimnis nie gelöst, sondern nur durchdrungen werden. Ein Problem, das einmal gelöst ist, hört auf, ein Problem zu sein; aber die Durchdringung eines Geheimnisses macht es um nichts weniger geheimnisvoll. Je vertrauter man mit einem Geheimnis ist, desto stärker strahlt die Aura seines Mysteriums. Die Steigerung eines Geheimnisses führt nicht zu Frustration (wie das bei einem Problem der Fall ist), sondern zu Befreiung. Meditative Haltung

Meditation wird weithin als eine Art spezialisierter Tätigkeit wahrgenommen. Sie wird als ein Mittel zur Beruhigung und Konzentration des Geistes angesehen, als Allheilmittel für Angst, Unruhe und Spannung. In der herrschenden Obsession für Berechenbarkeit wird sie bezeichnenderweise als eine Technik betrachtet, als eine systematische Anwendung einer Reihe vorgefasster Konzepte. Aber obwohl Richtlinien genannt werden können, gibt es schließlich kein „Wie“ für die Meditation. Bestimmte Übungen und Fähigkeiten können förderlicher für die Meditation sein als andere, aber am Ende ist eine meditative Haltung nicht etwas, was wir jemals erwerben können.

Meditative Haltung ist nichts Neues oder Fremdes. Sie wohnt tief in uns allen; nur ist sie heute ein Gebiet, das zunehmend brach liegt und ignoriert wird. Sie ist nicht etwas, das wir von irgendwo her bringen und in unser Leben einführen müssen. In einer embryonalen und sporadischen Weise ist sie bereits gegenwärtig. Sie kann in Bildern und Hinweisen unerwartet zu uns kommen. Sie wird vage als eine ferne, kaum bekannte Möglichkeit wahrgenommen, wie die Fragmente eines Traums, an den wir uns nicht erinnern können, der uns aber auch nicht in Ruhe lässt. Wir müssen ihre Fragilität erkennen und dann für sie sorgen und sie pflegen, wie wir es bei einem Kind oder einem Keimling tun würden.

Meditation fügt dem Leben nichts hinzu; sie stellt wieder her, was verloren gegangen ist. Sie bedeutet wachsende Aufmerksamkeit dafür, was unsere Existenz aussagt und von uns verlangt. Sie ist etwas Grundlegendes, das durch unsere Verblendung über ein gesondertes Ego und durch unsere endlosen Berechnungen und Melodramen vernebelt wurde. Die Praxis der Meditation liegt darin, diese Haltung durchscheinen zu lassen und uns langsam, oder auch abrupt, damit vertraut zu machen, was sowohl unser Ursprung als auch unser Höhepunkt ist.

Meditation und Geheimnis sind untrennbar. Ebenso wie das Geheimnisvolle nicht durch Berechnung enträtselt werden kann, kann eine meditative Haltung nicht erworben werden, als ob sie eine technische Fähigkeit wäre. Meditation findet statt, wenn unsere innerste Aufmerksamkeit auf die schockierende Nähe und dennoch schwer fassbare Distanz dessen, was vorhanden ist, gerichtet wird.

Die Praxis der Meditation ist ein Prozess der Zermürbung. Der Geist hat eine anscheinend unendliche Kapazität für Geschwätz. Und es gibt kein schnelles oder einfaches Heilmittel für diese Wucherungen von Gedanken und Emotionen. Nur die geduldige Kontinuität der Meditation kann sie schließlich zur Ruhe bringen. Wasser, das geduldig, ohne Eile, aber andauernd fließt, kann den beständigsten und hartnäckigsten Felsen abtragen.

Meditation ist den Tälern näher als den Gipfeln. Meditative Haltung haftet nicht an den Spitzenerfahrungen, diesen berauschenden Höhen der spirituellen Erfahrung, die die Täler und Ebenen weit unter sich lassen. Die dünne und blendende Atmosphäre der Gipfel kann uns erheben und inspirieren, aber wir können dort nicht lange leben. Lebewesen wachsen nicht auf den Gipfeln; sie brauchen den fruchtbaren Boden des Tales. Damit Meditation fruchtbar ist, muss sie nahe am Boden bleiben, um inmitten der unzähligen Details des täglichen Lebens den bescheidenen Wegen die Täler entlang zu folgen.

Meditative Haltung ist eine kreative Haltung. Lediglich die Techniken der Malerei zu meistern reicht nicht aus, um ein Kunstwerk zu schaffen. Das Kunstwerk, sei es ein Gemälde, ein Gedicht oder ein Musikstück, braucht mehr als nur technische Meisterschaft. Ebenso reicht das Beherrschen der Techniken der Meditation allein nicht aus, Einsicht zu schaffen. Einsicht, Weisheit, Mitgefühl und Liebe kommen alle aus einer anderen Quelle als der technischen Meisterschaft. Der Meditierende ist vergleichbar mit einem Künstler, der sein Handwerk beherrscht: ein Könner, der Liebe und Weisheit schafft.

Nicht-Wissen, Abwarten und Zuhören

Der Kern meditativer Haltung besteht darin, sich selbst in Frage zu stellen. Solche Befragung hat allerdings nichts mit der Neugier der Berechnung zu tun. Meditative Befragung fragt nach keinem unterscheidbaren individuellen Detail des Lebens, sondern nach dem Ganzen. Das Geheimnis des Lebens ist etwas, in das wir untrennbar eingebunden sind. Im Gegensatz zu einer berechnenden Frage, wo die Frage vom Problem getrennt ist, kann zwischen dem Meditierenden und dem Geheimnis nur eine begriffliche Unterscheidung gemacht werden. Meditatives Fragen nimmt an der Natur des Geheimnisses selbst teil. Es ist eine Art von grundlegendem Erstaunen oder von Verblüffung, die das reflektiert, was sich gleichzeitig zeigt und entzieht. Der französische Philosoph und Künstler Gabriel Marcel bemerkt 3:

Ein Problem ist etwas, auf das ich treffe, das ich vollständig vor mir vorfinde, das ich daher belagern und reduzieren kann. Aber ein Geheimnis ist etwas, in das ich eingebunden bin, und es kann daher nur als eine Sphäre gedacht werden, in der die Unterscheidung zwischen dem, was in mir ist und was vor mir ist, ihre Bedeutung und ursprüngliche Gültigkeit verliert. Ein bloßes Problem braucht eine geeignete Technik, durch deren Anwendung es definiert ist: dem gegenüber transzendiert ein Geheimnis definitionsgemäß alle vorstellbare Technik.

Die Konsequenz dieser Unterscheidung wird in dieser Zen-Maxime bestätigt:

Große Zweifel : großes Erwachen. Wenig Zweifel : kleines Erwachen. Kein Zweifel : kein Erwachen

Diese knappen Zeilen drücken aus, wie die Durchdringung des Geheimnisvollen direkt mit dem Ausmaß und der Intensität des Fragens zusammenhängt. Zweifel oder In-Frage-Stellen werden als unverzichtbare Schlüssel zum Erwachen gesehen. Die treibende Lebenskraft einer meditativen Haltung erhöht den Sinn für das Geheimnisvolle bis zu dem Punkt, an dem sich unerwartet offenbart, was bis dahin nicht vorhergesehen und unvermutet geblieben war.

Es gibt eine Art von Nicht-Wissen im meditativen Fragen, die sich sehr von der buddhistischen Vorstellung von Unwissenheit unterscheidet. Der Begriff der Unwissenheit umfasst nicht nur die Abwesenheit von Wissen über etwas, sondern auch dessen Verzerrung. In Unwissenheit erscheinen die Dinge in einer Weise, in der sie nicht existieren. Es ist auch ein Festhalten und Anhaften dabei, das die Verzerrung verstärkt und sie als etwas Reales und Sicheres darstellt. Meditatives Nicht-Wissen ist frei von dieser Art von Festhalten und Verzerrung. Statt festzuhalten, lässt es los. Statt darauf zu bestehen, dass die Dinge in einer bestimmten Weise existieren, akzeptiert es ihre Rätselhaftigkeit. Solches Nicht-Wissen lockert unser Festhalten daran, dass das Vertraute unveränderlich sei. Es ist einfach und entspannt; es behält eine naive, kindliche Offenheit.

In diesen Zustand des Nicht-Wissens können wir auf verschiedene Arten gelangen. Für manche entsteht er als endgültige Akzeptanz der Unzuständigkeit von Logik und Vernunft beim Umgang mit bestimmten überwältigenden Fragen. Es ist wie die spürbare Stille nach dem Zusammenbruch eines Apparats, der bis an seine Grenzen belastet wurde. Die Anerkennung des „Ich weiß nicht“ bedeutet am Ende nicht Versagen oder Schande, sondern Befreiung. Mitten in der Ruhe dieses neu entdeckten Nicht-Wissens gibt es die Andeutung einer tieferen und umfassenderen Weisheit. Dieses Nicht-Wissen ist in der Lage – zuerst vielleicht nur schwach – ,die Regungen des meditativen Bewusstseins zu spüren.

Berechnung, auf der anderen Seite, weigert sich, sich dem Nicht-Wissen zu stellen. Das Nicht-Wissen, das eine solche Fragehaltung in Gang setzt, wird als Herausforderung empfunden, die es zu überwinden und zu beseitigen gilt. Berechnung ist stolz auf Wissen. Um erfolgreich zu sein, muss man sich auf das, was bekannt ist, verlassen, um das, was in einem Problem unbekannt ist, zu beseitigen. Was nicht bekannt ist, wird als eine unangenehme Lücke im Bereich des Wissens sowie als unverzichtbarer Impuls für weiteres Verständnis betrachtet. Nicht-Wissen ist der Feind berechnender Haltung, auch wenn es gleichzeitig das ist, was ihr Fortschritte möglich macht. Berechnung, als Anstrengung gegen das Nicht-Wissen, ist nie einfach oder locker; sie ist nicht in der Lage das, was sie in Bewegung gesetzt hat, wieder zur Ruhe zu bringen.

Meditative Haltung ist bereit, ewig zu warten. Von jedem Anspruch auf Wissen befreit, wird nicht erwartet, dass irgendetwas besonderes geschieht. Solches Warten begnügt sich damit, die Dinge sein zu lassen und gleichzeitig anzuerkennen, dass es, im Geheimnis verborgen, etwas Unbekanntes gibt. Das, was verhüllt ist, kann nicht hervor gelockt werden. Es hat seine eigene Zeit jenseits der Zeit des Erinnern und Antizipierens. Warten wartet; es ist in jedem Moment wachsam, hat aber keine Erwartungen.

Erwartung ist charakteristisch für Berechnung. Unsere Berechnungen sind nur in der Lage, Fortschritte zu machen, so lange wir ein bestimmtes Ergebnis vorhersehen können. Wenn wir von einem solchen Verfahren nichts erwarten könnten (auch wenn es nur der Beweis ist, dass unsere Hypothese fehlerhaft ist), dann hätten wir keinen Anreiz, es anzuwenden. Berechnung ist zielorientiert; jeder Schritt, den sie tut, wird in Erwartung irgendeines Ergebnisses gemacht. Erwartung bezieht ihre Nahrung aus der Vergangenheit. Aus all unseren Erinnerungen setzt sie Stücke zu einem Bild des Erwünschten zusammen und projiziert es dann in die Zukunft als vorweggenommenes Ziel. Indem wir etwas erwarten, entwerfen wir eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, die nur in unseren Gedanken existiert.

Es ist verhängnisvoll, in der Meditation Erwartungen zu nähren. Sobald wir in unserem Geist ein Bild dessen festlegen, was wir anstreben, beschränken wir uns auf das, was innerhalb bekannter Bereiche liegt. Die einzigen Einsichten, die wir je hervorbringen können, sind dann dem Pool von Eindrücken, Ideen, Symbolen und Erfahrungen entnommen, die wir in unserem Gedächtnis gespeichert haben. Auch edle Ideen wie „Erwachen“ und „Buddha“ sind schließlich nichts anderes als Collagen vergangener Eindrücke, von Logik und Phantasie zusammengeklebt. Solche Bilder können uns als hilfreiche Wegweiser auf dem Pfad leiten, es sollte ihnen aber nie erlaubt werden, bei unserer meditativen Durchdringung des Geheimnisvollen dazwischen zu treten. Wenn sie – oder irgend ein anderes Bild von einem Ziel – das Unvorhersehbare und Unbekannte ahnen lassen wollen, wird Meditation in die Falle von Denken, Gedächtnis und Vorstellungskraft geraten und von ihrem Geheimnis getrennt werden.

Eine der größten Gefahren von allen liegt in der Erinnerung an unsere eigenen Erfahrungen in der Meditation. Es ist nicht so ungewöhnlich, während der Meditation zu etwas Außergewöhnlichem und Beispiellosem zu erwachen. Aber je ungewöhnlicher und mystischer die Erfahrung ist, desto größer wird die Gefahr. Denn sobald die unmittelbare Erfahrung verblasst ist, werden wir versucht sein, uns ein Bild von ihr zu schaffen und uns dann bemühen, es wieder einzufangen. Sobald dies geschieht und wir getrost unter der Illusion weitermachen, dass das Unberechenbare von jetzt an unseren gut begründeten Erwartungen entsprechen wird, geht die eigentliche meditative Fragehaltung verloren. Anfängerinnen und Anfänger haben hier einen großen Vorteil gegenüber erfahrenen Meditierenden.

Wir sollten einfach warten, ohne Idee oder Bild von dem, was passieren könnte. Auch noch so viel Erfahrung kann die Art, in der das Geheimnisvolle sich entfaltet, nicht vorhersagen. Beim Warten, wie auch beim Nicht-Wissen, können wir nicht auf unsere Speicher angesammelten Wissen zurückgreifen. Aber indem wir sie hinter uns lassen, treten wir nicht in einen Zustand blanker Indifferenz ein, sondern in eine lebendige, unvoreingenommene Fragehaltung.

Wenn man eine Analogie zu sinnlichem Bewusstsein heranzieht: eine meditative Haltung hört mehr, als sie sieht. Zuhören ist empfänglicher als Sehen. Indem wir unsere Ohren einstimmen, schärfen wir unsere Aufmerksamkeit, so dass sie sich für die unermessliche und subtile Menge von Tönen öffnet, die uns ständig umgeben und bestürmen. Selbst wenn wir auswählen und uns auf einen bestimmten Klang konzentrieren, tun wir dies so, dass dem Klang leichterer Zugang zu uns ermöglicht wird. Sehen hingegen ist oft durch Verengung der Aufmerksamkeit und eine fast zielorientierte Fokussierung auf das Objekt gekennzeichnet. Es ist nicht so, dass der Form des Objekts erlaubt wird in das Bewusstsein einzudringen; eher ist es so, dass wir es ergreifen und durchdringen.

Meditatives Bewusstsein hört. Es ist offen für alles mögliche, da unsere Ohren empfindsam sind für die allgegenwärtige Symphonie aus Klang und Stille, die uns umgibt. Warum sollten wir in der Einfachheit des Wartens nicht eher auf den Tritt des Geheimnisvollen hören als nach einem visionären Zeichen Ausschau halten?

The_Bodhisattva_AvalokiteshvaraDem Hören wird in vielen Traditionen zugesprochen, Symbol für Weisheit zu sein. In der sumerischen Sprache zum Beispiel wird dasselbe Wort für Ohr und Weisheit verwendet. An einem Punkt in der Shurangama Sutra 4 bittet der Buddha die anwesenden Bodhisattvas und Arhats 5 über die wirkungsvollste Methode zur Realisierung von Erwachen zu sprechen. Avalokiteshvara antwortet:

Da Buddha nun nach dem besten Mittel zur Vollkommenheit fragt: meine Methode ist, durch die Regulierung des Gehörorgans den Geist für den Einstieg in den Strom der Meditation zu beruhigen, was zum Zustand des Samadhi und dem Erreichen der Erleuchtung führt: sie ist die beste.

In einer späteren Passage aus der selben Lehrrede erklärt der Bodhisattva Manjushri, was gemeint ist:

Wenn man in der Stille wohnt, hört man das Rühren von Trommeln aus zehn Richtungen gleichzeitig. Hören ist also vollkommen und perfekt. Die Augen können ein Bild nicht durchdringen, auch Mund oder Nase können das nicht. Der Körper fühlt nur, wenn er berührt wird, die Gedanken des Geistes sind verwirrt und unverbunden. Aber der Ton, ob nah oder fern, ist zu allen Zeiten zu hören. Die fünf anderen Organe sind nicht perfekt, aber das Hören ist wirklich allgegenwärtig.

  1. Das Buch „The Faith to doubt“, von dem es keine deutsche Übersetzung gibt, ist Ergebnis von Stephen Batchelors intensiver Auseinandersetzung mit dem koreanischen Zen-Buddhismus, wie er von Kusan Sunim gelehrt wurde. In der Meditation spielt dabei die Haltung des Fragens eine zentrale Rolle. Das Buch, das schon vor längerer Zeit veröffentlicht wurde, hat nichts an Aktualität verloren. Konrad Mohrmann hat uns darauf aufmerksam gemacht und eine zentrale Passage, das 4. Kapitel „Questioning“, pp. 37-49, vorübersetzt. Leicht gekürzt und überarbeitet wurde der Text von Evamaria Glatz
  2. aus: Martin Heidegger: Gelassenheit, von Batchelor aus der englischen Übersetzung von John M. Anderson und E. Hans Freund zitiert, pp. 45ff.
  3. Gabriel Marcel, „Etre et avoir“, 1935, von Stephen Batchelor aus der englischen Übersetzung „Being and Having“, p.117, zitiert
  4. http://www.buddhanet.net/pdf_file/surangama.pdf, in englischer Sprache
  5. Bodhisattvas und Arhats sind, sehr vereinfacht gesprochen, weit fortgeschrittene Praktizierende, s.: http://de.wikipedia.org/wiki/Bodhisattva und http://de.wikipedia.org/wiki/Arhat

20 Antworten auf „Über berechnende und meditative Haltung:
von Stephen Batchelor“

  1. Sich selbst in Frage stellen ist das zentrale Anliegen der Meditation? Für mich ist das nicht der Fall, weil ich nicht wie St. Batchelor durch die koreanische Zen-Tradition geprägt bin, sondern durch das Zen von Thich Nhat Hanh. Ich ziehe es vor, ohne Fragen zu innerer Stille zu gelangen, meine Gedanken und Gefühle nur wahrzunehmen, und wie Wolken weiterziehen zu lassen…
    Ich erwarte, daß Weisheit und Mitgefühl durch die Meditationen in mir wachsen. Zu weisem, mitfühlenden Handeln gehören durchaus Logik und Vernunft, die Batchelor in dieser Schrift zu Unrecht als störend erachtet. Gerade Heidegger, der aus einer romantischen Haltung heraus das Erstarken der Nazis befürwortete (er interpretierte es als Wiedererwachen von Wotans Wüten)sollte uns lehren, wie unheilvoll eine Abwertung unserer Vernunft sich auswirken kann.
    Ich warte auch nicht darauf, daß das Geheimnisvolle sich entfaltet, wie das sicher früher manchmal der Fall war. Ich möchte mich verbunden fühlen können, mit allen Lebewesen, mit den Elementen, möchte bewußt im unendlichen Universum atmen…Das Große Geheimnis ist für mich, daß ein Universum entstand, daß Leben sich darin entwickelte, das nach Millionen währender Entwicklung sich seiner selbst bewußt wurde…Ich werde sterben, ohne das zu begreifen, aber mit tiefer Dankbarkeit, daß ich dieses Unbegreifliche erleben durfte.

  2. Muß mich korrigieren: Nicht Heidegger bewunderte den Nationalsozialismus als Ausdruck des Wiedererwachens von Wotan, sondern C.G.Jung unterlag dieser Täuschung.
    Aus welchem Grund genau Heidegger überzeugter Natioalsozialist und Antisemit wurde, und das bis zum Ende blieb (nie bereute er öffentlich seine damalige Haltung, kein Bedauern, keine Entschuldigung), müßte ich recherchieren. Sicher war es die romantsche, irrationale Seite des Faschismus.
    Batchelor mußte sich natürlich mit dem Faschismus nicht so tief auseinandersetzen wie wir Deutschen, und kann nur deshalb ausgerechnet Heideggers Haltung der Offenheit für das Geheimnis als vorbildlich hinstellen.

  3. Liebes Säkularer-Buddhismus-Team,

    so ein wichtiges Thema: und dann hat die political correctness- Keule zugeschlagen!

    Haben die Begriffe Nicht-Wissen, Nicht-Kontrolle und offene Weite hier Angst-Reflexe ausgelöst?

    Danke für Eure Mühe, Überlegungen des säkularen Buddhismus in den deutschsprachigen Raum
    einzubringen, und den Hinweis auf die Surangama-Sutra.

    freundlichst,

    Paula

  4. Ohne Fragen durch die Welt zugehen, daß habe ich bei Thich Nhat Hanh nicht gelernt. Nachzulesen in seinem Buch „Das Herz von Buddhas Lehre“ S. 57 Rechte Anschauung: „Wir müssen uns immer wieder fragen: „kann ich mir sicher sein, oder täusche ich mich?“ Solange wir nicht klar bewußt sehen, werden unsere falschen Wahrnehmungen uns daran hindern, Rechte Anschauung zu erlangen. Oder auf den Seiten 64 f: „Rechtes Denken kannst du in vierfacher Weise üben: 1) Frage dich immer wieder: „Bin ich mir ganz sicher?“ Hoffentlich geht es Thay bald besser, daß wir weiter von ihm lernen können. Im August wird er wohl in Waldbröl nicht dabei sein, in Gedanken aber immer. Zu dem Thema Zweifel kann ich gerne irgendwann aus Stephen Bachelors „Faith to doubt“ berichten.
    Gassho

  5. Hallo Konrad,
    ich habe mich offenbar mißverständlich ausgedrückt.
    Natürlich ist es auch für mich sehr wichtig, mich immer wieder zu fragen, ob ich sicher sein kann, daß meine Wahrnehmung wirklich der Realität entspricht, z.Bsp. wenn ich innerlich negativ reagiere.
    Nur bei meiner täglichen 20-Min.-Meditation stelle ich mir keine Frage, sondern nehme nur meine Gedanken und Gefühle wahr, mit liebevoller Haltung, und lasse sie wie Wolken im weiten Himmel weiterziehen. Ich frage mich also nicht „wer bin ich“, wie das im koreanischen Buddhismus gelehrt wird.
    Ich fände es prima, wenn Du mal über das Theme Zweifel aus „Faith to doubt“ berichten würdest!
    Gassho

    Hallo Paula,
    habe ich mit der Keule der political correctness zugeschlagen? Das wollte ich nicht! Kannst Du schreiben, warum Du meinen Beitrag so erlebt hast?
    Gassho

    1. Hallo Paula,
      Dein Vorwurf ging mir nach.
      Meine Kritik richtete sich ja nicht gegen Eva-Maria (sie weiß, daß ich sie schätze und ihr sehr dankbar bin; hätte ich sie nun kritisiert, wäre das für sie auch kein Problem gewesen), und da Stephen Engländer ist, kann man ihm nicht vorwerfen, daß er über das Leben Heideggers offenbar wenig weiß.
      So im Alter von 25 – 30 schwärmte ich von Heidegger. Welche Desillusionierung, als ich erfuhr, daß er sehr lange den Führer tief verehrte, und daß er es hinnahm, daß der jüdische Philosoph Husserl die Universität, der er als Rektor vorstand, verlassen mußte.
      Inzwischen ist sein vehementer Antisemitismus durch die Veröffentlichung der berühmten Schwarzen Hefte eindeutig belegt.
      Hätte er sein Versagen im 3. Reich später von Herzen bereut, hätte er sich entschuldigt, könnte ich ihn als Menschen akzeptieren, jedoch nicht als Philosophen, der uns für das Leben relevante Weisheit lehren könnte.
      Ich fühle mich ihm jedoch nicht moralisch überlegen, denn auch ich hätte versagt, wenn ich damals gelebt hätte, befürchte ich. Sehr wahrscheinlich wäre ich begeistert dem BDM beigetreten. Und da ich als junge Frau ein schwaches Selbstwertgefühl hatte, hätte ich es vermutlich genossen, der überlegenen nordischen Rasse anzugehören.
      Wie siehst Du Heidegger? Kannst Du seine philosphischen Aussagen ohne Vorbehalt auf Dich wirken lassen? Ich schaffe das einfach nicht.

  6. Hallo Chrisja –

    die wellen scheinen ja ein bisschen hoch zu gehen –
    und das wegen eines alten und (menschlich wie politisch)
    ziemlich diskreditierten deutschen Philosophen.

    Um den ging es mir aber eigentlich gar nicht (und lass uns
    hier bitte nicht die Pandorabüchse von Buddhismus
    und Nationalsozialismus aufmachen).

    Mir ging es darum, dass du in deiner Antwort eine
    philosophisch/ weltanschauliche Fragestellung
    (berechnendes, also geschlossenes Denken versus
    offenes/meditatives Denken) mit einem politischen
    totschlags-argument zu einer der Formulierungsquellen
    gekontert hast – und dann auch noch den Autor (Batchelor) der
    Unwissenheit zeihst : das wollte ich so nicht stehen lassen.

    Nach meinen Erfahrungen befasst man sich im anglo-
    amerikanischen Ausland durchaus mit dem Faschismus
    (siehe z.B. Milgram etc.) – man hat noch nicht vergessen,
    dass deren Väter mal unsere Väter stoppen mussten——-

    Mir war es wichtig, das eigentliche Thema, das ist
    berechnendes Denken/ meditatives Denken
    nicht so einfach abwürgen zu lassen.

    Ich halte dies deswegen für so wichtig, weil ich denke, dass
    wir als Menschen eine in Evolution befindliche
    Spezies sind.

    Berechnendes Denken beschränkt sich nach meiner Auffassung aber auf den status quo – es arbeitet mit den jetzigen Gegebenheiten
    und nur mit ihnen.

    Potential für eine Weiterentwicklung, für Neues, für Quantensprünge, sehe ich nur in meditativem
    (oder intuitivem?) „Denken“ /Nicht-Denken –
    Ungewissheit , In-Frage-Stellen, Zweifel und all die anderen
    Unannehmlichkeiten eingeschlossen.

    Das hat mich vor 25 Jahren zur Zen-Meditation gebracht ……

    gassho, paula

  7. Also Heidegger: Wer sich genauer mit Heidegger und dem Zen-Buddhismus auseinandersetzen will, dem sei das Buch von Byung-Chul Han (Koreaner, Professor für Philosophie in Berlin)
    „Philosophie des Zen-Buddhismus“, Reclams Universalbibliothek Nr. 18185, 2002 erschienen, zu empfehlen. Er hat über Heidegger promoviert und beschäftigt sich in dem Buch, wie auch Bachelor in seinem Buch „Allein mit Anderen“ über „die philosophischen Einsichten, die auf interessante Weise mit dem abendländischen Denkmustern kontrastieren.“ (Klappentext) Aber viel kenntnisreicher als Stephen Bachelor.

  8. Hallo Paula,
    es war nicht meine Absicht, das Thema ‚berechnendes Denken versus meditatives Denken‘ abzuwürgen, mit einem Totschlagsargument.
    Aber es stimmt, ich kann nicht anders als aggressiv auf Heidegger zu reagieren, deshalb stand er für mich so im Vordergrund. Ich bitte Dich um Verständnis dafür.
    Hast Du in der letzten „Zeit“ den Artikel über die Schwarzen Hefte gelesen?? Bitte lies ihn, dann kannst Du mich vielleicht besser verstehen.
    Ich muß Konrad Mohrmann fragen, wann Batchelor dieses Buch geschrieben hat. Damals sah man allgemein Heidegger noch nicht so kritisch, da man von seinem heftigen Antisemitismus noch nicht wußte.
    Aus meiner Sicht hat S.B. die Vernunft zu sehr mit berechnendem Denken gleichgesetzt. Es gibt eine höhere Vernunft, die offen ist für Intuition, die die innere Stimme also „vernehmen“ kann…
    Gassho
    Chrisja

    1. Was mir gerade noch einfällt, Paula: Warum wäre es denn so schlimm, uns auch über das Thema Zen-Buddhismus und Faschismus auszutauschen?
      Heidegger wurde in Japan sehr verehrt, und wird es vielleicht immer noch. Liegt das vielleicht auch daran, daß das japanische Zen das Ziel absoluter Freiheit und Ungebundenheit hat? Weisheit ist das höchste Ziel, offene Weite. Und das Ideal des Mitgefühls mit allen Lebewesen? Ist es vielleicht eher sekundär?
      Ich lese seit einigen Wochen jeden Morgen in dem Buch von Zenkei Shibayama „Zu den Quellen des Zen“ – Die berühmten Koans des Meisters Mumon aus dem 13. Jahrhundert (Wilhelm Barth-Verl., 1976). Ich bin erstaunt, wie oft er darauf hinweist, ein Koan keinesfalls als ethische Anweisung mißzuverstehen, seine eigentliche Aussage gehe weit darüber hinaus.
      Ich deute das so, daß Ethik aus seiner Sicht nur das moralische Verhalten betrifft, das ja jeder erlernen könne. Die eigentliche Quelle der Ethik, das tiefe Wissen um die Verbundenheit aller Lebewesen als Ausdruck höchster Weisheit ist bei ihm kein Thema. Ich habe den Verdacht, daß Mitgefühl für ihn eher sekundär ist, daß absolute Freiheit und kraftvolle Spontaneität im Vordergrund stehen. Aus seiner Sicht ergibt sich daraus das richtige Handeln ganz von selbst.
      Heidegger lehnte das Christentum ab, ich vermute, auch wegen seiner einengenden Ethik, er betete das freie Griechentum an, und warf den Juden (so las ich in dem „Zeit“-Artikel) ihre „Seinsvergessenheit“ vor, sie hätten das Griechentum zerstört.
      Rainer Marten wird in diesem Artikel zitiert, der meinte, „die faszinierende Dichte seines grundfalschen philosophischen Denkens“ ziehe viele an, die sich nach Transzendenz sehnen. —
      Der neofaschistische Alexander Dugin, der Ideologe Putins, der den Westen und seine Liberalität als dekadent verachtet, sei in den Schwarzwald gepilgert, zu Heideggers berühmter Hütte.

  9. Hallo Konrad,
    danke für Deinen Hinweis auf das Buch von Han! Falls es nicht zu teuer ist für meine Mini-Rente, will ich es mir zulegen, falls ich es nicht an der Uni bekommen kann.
    Gassho
    Chrisja

  10. Hallo Evamaria, danke für Deinen Link!! Werde erstmal den Tag heute genießen, und mir dann den Link anschauen. Die Konfrontation mit unserer historischen Vergangenheit bedrückt mich immer wieder aufs Neue. Auch ich hätte schrecklich versagt…—
    Hab gerade wieder im Buch des japan. Zenmeisters Shibayama gelesen, daß es im freien Zen-Leben kein Richtig und Falsch gäbe. Man dürfe nicht in der Welt von Falsch und Richtig umherirren. Ob ich das gerade mache, frage ich mich. Ich hoffe, das ist nicht der Fall.
    Der Zen-Meister Eugen Herriegel („Zen in der Kunst des Bogenschießens“) war Nationalsozialist.
    Das Freisein von jeglicher Beurteilung kann leider in die Irre führen, was man ja auch bei dem berühmten Zen-Meister D.T. Suzuki erkennen kann, der ein Anhänger des japan. Faschismus war. (Auch für ihn schwärmte ich, und ich war fasziniert von Herriegel!)—
    Ich hoffe, meine Kritik an S.B. stört Dich nicht? Ich schätze ihn sehr, er war für mich ungeheuer wichtig!! Und ich bin Dir dankbar auch für diesen Auszug aus seinem Werk, obwohl ich so kritisch reagiere. Er regt mich sehr zum Nachdenken an!
    Gassho!
    Chrisja

  11. Hallo Alle,

    sicher könnte man diskutieren: wenn man sich klar wäre,
    ob man das aus einer Haltung des berechnenden oder
    des meditativen Denkens machen wollte—-

    Für mich ist das genug von -Ismen, Politik und alten
    Philosophen mit riesengroßem Verstand und
    verkümmerten Herzen, und auch mein Bedürfnis
    nach Transzendenz ist — begrenzt.

    Der Himmel ist blau, die Erde ist braun –
    und meine Pflanzen brauchen Wasser.

    gute zeit allen,

    Paula

  12. PS: danke für den Hinweis auf den Philosophen Han aus Berlin:
    wer einem seiner Bücher den Titel „Der Geruch der Zeit“
    gibt ist sicher lesenswert. paula

  13. Stephen Batchelor hat das Buch „Allonge with others“ , als Rückblick auf seine Zeit im tibetischen Buddhismus und auf der Suche nach einer Alternative geschrieben. Das Material dafür stammt noch aus seinen Aufzeichnungen, die er in der Schweiz, noch bei Geshe Rabten, 1979, auf der Suche nach einer Alternative gemacht hat. Er hat es dann in Hamburg im Tibetischen Zentrum geschrieben und 1982 hat er es in Korea in Songwang Sa beendet. (Vorwort zu „Mit Anderen allein“) Die deutsche Ausgabe erschien erst 1992.
    Stephen war auf englische Ausgaben von Heideggers Schriften angewiesen, als Engländer war ihm wohl das Verhalten von Heidegger während der Nazi Zeit nicht so präsent und bekannt.
    Es ging ihm wohl um andere Fragen.

  14. Danke Konrad für Deinen wichtigen Hinweis!
    Das glaube ich auch, daß er als Engländer, zumal damals, weniger wußte als wir.
    Meine Kritik bezog sich vor allem auf Heidegger. Erst vor kurzem wurden seine Schwarzen Hefte veröffentlicht. (Meine Kritik ging jedoch zu weit. Als Philosph interessiert er mich nicht mehr, aber ich muß ihn als Menschen akzeptieren, obwohl er sich nie entschuldigte. – Auch hatte er mitmenschliche Qualitäten, sonst hätte ihn seine Frau nicht ertragen, trotz seiner Bez. zu Hanna Arend, und sein Sohn, den er adoptiert hatte (seine Frau hatte ihm gebeichtet, als sie schwanger war, daß er nicht der Vater ist), spricht nur positiv von seinem Vater.—
    Ich liebe kritische Diskussionen, und habe gleich am Anfang, schon vor meinem 1. Beitrag, darauf hingewiesen, und gefragt, ob man mich hier mit meiner kritischen Haltung ertragen kann. Mir wurde versichert, daß Kritik begrüßt wird. —
    Als es Thich Nhat Hanh noch gut ging, hatte ich manchmal die Idee, der Zeitschrift „Intersein“ einen kritischen Beitrag zuzusenden. Habe es aber nicht gewagt, da ich sicher bin, Kritik ist unerwünscht. Bei gläubigen Buddhisten wird Kritik an anderen nur negativ gesehen. Das finde ich sehr schade, denn Kritik ist keineswegs immer Ausdruck für falsches Ego.

  15. Traf heute einen alten Freund, der mir glücklich strahlend erzählte, er fühle, daß sein Ego nicht existiere. Er hatte sich für einige Tage zum Meditieren zurückgezogen, und sich immer wieder gefragt, wer er sei, so wie es HWL Poonjaji, ein Schüler Ramana Maharshis, lehrte. Er fühle, daß er grenzenloses Bewußtsein sei, grenzenlose Liebe…
    Ich hatte damals hier geschrieben, daß ich bei der Meditation mein Selbst nicht in Frage stelle. Nun glaube ich, ich verstehe jetzt besser, was Stephen Batchelor in diesem Kapitel meinte, und worum es ja im koreanischen Buddhismus geht, und worum es auch mir in der Meditation geht, nämlich um die so bedeutsame Erkenntnis, daß wir nicht das Ego sind. Wir können durch dieses Fragen in der Meditation durchlässig werden für das Buddha-Licht in uns…
    Wir können die Last des Ego ganz ablegen, immer wieder neu, in jedem Augenblick, indem wir uns bewußt werden, wer wir wirklich sind.

  16. Dem stimme ich auch zu, Chrisja –

    und im übrigen, ohne deinen kritischen Beitrag wäre
    diese ganze sehr lebendige Diskussion niemals in Gang
    gekommen ……..

    Grüßle, Paula

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