Nelson Mandela

slide_328438_3192341_free„Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind. Unsere tiefste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, das uns erschreckt, nicht unsere Dunkelheit. Es ist nichts Erleuchtendes daran, sich so klein zu machen, dass andere um uns herum sich nicht sicher fühlen. Wir sind alle bestimmt zu leuchten, wie es die Kinder tun. Und wenn wir unser eigenes Licht erscheinen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,

Wie ändern wir die Welt?
über Erich Fromms „Haben oder Sein“

Im Jahr 1968, als in Westeuropa so viele junge Leute den Aufstand probten, war ich 20 Jahre alt und bald mittendrin im politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Geschehen, in dem und durch das wir alle Werte auf den Kopf zu stellen meinten. Wir waren voller Widerspruchsgeist gegenüber überkommenen Strukturen in Kindererziehung, Studium, Gesellschaft und Politik, voller Energie davon überzeugt, dass es uns gelingen würde, den zutiefst ungerechten, nur an Profit orientierten Kapitalismus über den Haufen zu rennen und basisdemokratische, solidarische Gemeinwesen an seiner Stelle zu schaffen. Heute erinnere ich mich, wie wenig wir damals über unser eigenes Verwurzeltsein in den autoritären Strukturen nachdachten, aus denen wir gekommen waren. Bei allem Enthusiasmus gingen wir grob, unaufmerksam und oft gewaltsam mit uns selbst und miteinander um. Wir urteilten schnell und hart, und meinten immer genau zu wissen, wer richtige und wer falsche Meinungen vertrat. Unter den linken Klassikern und Gegenwartsautoren, die wir lasen, nahm Erich Fromm eine Sonderstellung ein. Er polarisierte nicht, sondern schuf positive Utopien, von denen wir träumen konnten. Als ich vor kurzem wieder begann, mich mit seinen Texten zu beschäftigen, konnte ich daran anknüpfen; ich möchte durch diesen Beitrag deutlich machen, was er mit säkularem Buddhismus zu tun hat. erich fromm Fromm kam im Jahr 1900 als Sohn einer orthodox jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin zur Welt. Er studierte Rechtswissenschaften und Soziologie und wurde Mitarbeiter am renommierten Institut für Sozialforschung. Als junger Mann studierte er den Talmud, später absolvierte er eine Psychoanalyse und ließ sich zum Analytiker ausbilden. Die praktische Ausübung seiner Religion stellte er ein, nachdem er nähere Bekanntschaft mit den Schriften Sigmund Freuds und Karl Marx‘ gemacht hatte. Er emigrierte im Jahr 1934 in die USA und wurde später US-amerikanischer Staatsbürger. Ab 1950 lehrte er an der Universität von Mexiko und engagierte sich politisch in der amerikanischen Friedensbewegung. In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts kehrte er nach Europa zurück und lebte in der Schweiz, wo er sich vor allem seiner schriftstellerischen Arbeit widmete. Er starb kurz vor seinem 80. Geburtstag. Fromm hat zahlreiche Bücher verfasst, die international ein breites Publikum fanden, vor allem unter jungen Linken 1. Erich Fromm dachte mit seinem eigenen Kopf, und er hat vor allem in jüngeren Jahren Konflikte nicht gescheut. Vom „Institut für Sozialforschung“, zu dessen wichtigsten Mitarbeitern er gezählt hatte, trennte er sich im Jahr 1939 wegen inhaltlicher Differenzen. Sigmund Freud, mit dem er sich intensiv auseinandergesetzt hat, kritisierte er u.a. wegen seines Kulturpessimismus und der Prädominanz der Sexualität in seinen Schriften; das führte dazu, dass Fromm unter Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern, die eng mit Freud verbunden waren, ein Außenseiter blieb. Der Erforschung der jüdischen und christlichen Geisteswelt auf unorthodoxe Weise widmete er viel Aufmerksamkeit. Sein Weltbild und seine Lebenseinstellung erarbeitete er sich aus Teilen jüdischer und christlicher Tradition, Elementen der Frühschriften von Karl Marx, den theoretischen Erkenntnissen und der praktischen Anwendung von empirischer Sozialforschung und Psychoanalyse, aus buddhistischem Gedankengut und meditativer Praxis. Er hat lebenslang einen demokratischen, sozialistischen Humanismus vertreten. Ein erstes Mal intensiv mit dem Buddhismus auseinandergesetzt hat sich Erich Fromm in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts 2. In seiner Theoriebildung und seiner persönlichen Praxis haben später seine Begegnungen mit Nyanaponika deutliche Spuren hinterlassen. Nyanaponika, 1901 in Deutschland unter dem Namen Siegmund Feniger geboren, war 57 Jahre lang buddhistischer Mönch und verbrachte einen großen Teil seines Lebens in einer Einsiedelei auf Sri Lanka. Er verfasste zahlreiche Schriften über Buddhismus der Theravada-Schule, am bekanntesten wurde sein Buch „Geistestraining durch Achtsamkeit“. 3 Erich Fromm, der Nyanaponika während dessen Reisen in die Schweiz mehrmals getroffen hat, schätzte dieses Buch und seinen Autor sehr und hat bei ihm Anleitung für eigene Meditationspraxis gefunden. Er sagte von ihm, er sei …ein Gelehrter, ein Lehrer, ein Helfer – kein Guru, kein Führer und kein Verführer, …der eine Lebensform lehrte und praktizierte, die an die besten Kräfte des heutigen ernüchterten, kritischen und dennoch sehnsüchtigen Menschen appelliert: an Rationalität, Unabhängigkeit, das Aufgeben von Illusionen, Verzicht auf Autoritäten, denen man sich unterwirft, und…das Sehen der Dinge entsprechend ihrer Realität 4. Etwa zur selben Zeit, als Fromm diese Würdigung verfasste, erschien: Haben oder Sein. 5. Als ich es vor kurzem wieder gelesen habe, war ich berührt von seiner Aktualität nach fast 40 Jahren. Mit dieser so prägnanten wie umfassenden Formulierung präsentiert Fromm hier seine Sicht der Menschen und der Gesellschaft, ihres Bedarfs nach und ihrer Möglichkeiten für tief greifende Veränderungen. Buddhistisches Gedankengut ist in keinem seiner Werke so präsent wie in diesem. Das Buch beginnt mit nüchterner Analyse: Das Industriezeitalter habe seine Versprechen nicht eingelöst. Glück entstehe nicht aus der Befriedigung aller Wünsche. Unsere Gedanken und Gefühle würden durch Massenmedien beherrscht. Wirtschaftlicher Fortschritt bleibe auf reiche Nationen beschränkt, technischer Fortschritt bringe unabsehbare ökologische Gefahren und die Bedrohung durch einen Atomkrieg. Eroberungsdrang und Feindseligkeit hätten die Menschen blind gemacht für die Tatsache, dass die Welt endlich sei, und zum ersten Mal in der Geschichte hänge nun das physische Überleben der Menschheit von einer radikalen seelischen Veränderung der Menschen ab. Er schreibt: Wir sind eine Gesellschaft notorisch unglücklicher Menschen: einsam, von Ängsten gequält, deprimiert, destruktiv, abhängig – jene Menschen, die froh sind, wenn es ihnen gelingt, jene Zeit „totzuschlagen“, die sie ständig einzusparen versuchen. Im weiteren Verlauf des Buches geht es um die detaillierte Auseinandersetzung mit den beiden, wie Fromm schreibt, grundlegend verschiedenen Formen menschlichen Erlebens, des Habens und des Seins. Dem Zustand des Habens entspräche Konsumieren in allen Lebensbereichen, das vermindere vordergründig menschliche Angst, zwinge aber auch dazu, immer mehr zu konsumieren, weil die Befriedigung durch materielle Güter bald nachlasse. Haben bedeute das Festhalten an Dingen, wozu wir durch eine marketing-orientierte Umgebung, in der es um den vordergründigen schönen Schein gehe, erzogen würden. Psychologisch gesehen bedeute die Orientierung am „Markt“, dass es nicht um das eigene Selbst gehe – also um die tatsächlichen Fähigkeiten, Gefühle und Gedanken, sondern um das, was sich verkaufen lasse, was ankomme. Sein aber bedeute, das wirkliche Bild vom Selbst, von anderen Menschen und der Umwelt wahrzunehmen, gelten zu lassen und zu pflegen. Dieses Bild ändere sich laufend, und Erlebnisse von Angst, Schwäche und Leid wären Teil davon. Die Vorstellung eines „Ich“, das man auf Dauer besitzen könne, beruhe auf der Illusion einer unvergänglichen, unzerstörbaren Substanz, die Menschen aufrecht erhalten wollten, weil der Gedanke ständigen Wandels schwer zu akzeptieren sei. Diese Illusion werde durch eine Kultur der Besitzorientierung, durch den Primat des Privateigentums in der gegenwärtigen Gesellschaft gestützt und genährt. Haben beziehe sich nicht nur auf Gegenstände, sondern ebenso auf Werte, Wissen und Überzeugungen. Eigen-tum entstehe dann nicht durch Entfaltung der eigenen Person, sondern durch unverarbeitete Aneignung äußerer Einflüsse; das Haben-Wollen trete an die Stelle des Sein-Wollens. Seine Grundaussagen belegt der umfassend gebildete Autor mit Zitaten aus vielen Quellen quer durch die Geistesgeschichte. Angesichts drohender psychischer, ökonomischer und ökologischer Katastrophen hofft er auf tief greifende charakterologische Veränderungen. Fromm schreibt: Ich bin überzeugt, dass sich der menschliche Charakter in der Tat ändern kann, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • Wir leiden und sind uns dessen bewusst
  • Wir haben die Ursache unseres Leidens erkannt
  • Wir sehen eine Möglichkeit, unser Leiden zu überwinden
  • Wir sehen ein, dass wir uns bestimmte Verhaltensnormen zu eigen machen und unsere gegenwärtige Lebenspraxis ändern müssen, um unser Leiden zu überwinden.

Diese vier Punkte entsprechen den Vier Edlen Wahrheiten, die den Kern der Lehre Buddhas über die allgemeinen menschlichen Existenzbedingungen bilden… Der Autor hat diesen Text wie alle seine anderen Bücher als ein politischer Denker geschrieben; als einer, der zeitlebens tief greifende gesellschaftliche Veränderungen für notwendig gehalten und erhofft hat. Niemals hat er sich dabei auf die Seite einer politischen Partei gestellt. Aus dem obigen Zitat wird deutlich, wo er ansetzt: bei der persönlichen Veränderung jedes Einzelnen, und möglichst Vieler gemeinsam. Erich Fromm war weder ein Wissenschaftler in traditionellem Sinn, noch war er ein Träumer. Seine Stärke lag darin, dass es ihm – der seine eigene Person auch als Produkt einer deformierten und deformierenden Gesellschaft wahrnahm – lebenslang um Selbsterkenntnis und persönliche Reifung ging. Lösungsvorschläge, die er stets im Auge hatte, suchte er in der Kunst des Lebens. Die war für ihn gekennzeichnet durch Liebesfähigkeit, Autonomie, Selbstreflexion und die Fähigkeit, sich selbst und die Wirklichkeit in aller Ambivalenz anzunehmen. 6 Dass die Welt sich ändern soll und muss, darin waren wir Jungen uns mit Erich Fromm schon in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts einig. Dass das nur geschehen wird, wenn wir selber uns ändern, war schwerer zu verstehen.

Evamaria, 11. 4.

  1. Besonders bekannt wurden: Die Kunst des Liebens, Psychoanalyse und Ethik und Anatomie der menschlichen Destruktivität. Eine vollständige Liste seiner Publikationen findet sich auf: http://www.erich-fromm.de, der offiziellen Website des Erich-Fromm-Dokumentationszentrums in Tübingen
  2. Dies geschah anlässlich einer Tagung, die er als Professor für Psychoanalyse in Mexiko organisierte; daraus entstand das Buch: Fromm, Erich, Suzuki, Daisetz Teitaro und Martino, Richard de: Zen-Buddhismus und Psychoanalyse, Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch, München 1963
  3. Der Text ist im Internet frei zugänglich unter: http://www.palikanon.com/diverses/satipatthana/satipattana.html.
  4. Aus: „Des Geistes Gleichmaß“, Festschrift zu Nyanaponikas 75. Geburtstag aus dem Jahr 1976, in der auch Erich Fromm einen Beitrag verfasste, zitiert nach einem Artikel von Ludger Lütkehaus in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. 7. 2001
  5. Fromm, Erich: To have or to Be, Erstausgabe in amerikanischem Englisch 1976, deutsch: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, München 1976
  6. Funk, Rainer, Meyer, Gerd und Johach, Helmut (Hrsg.): Erich Fromm heute – Zur Aktualität seines Denkens, München 2000. In diesem Sammelband setzt sich Funk, sein langjähriger Assistent und Nachlassverwalter, neben den inhaltlichen auch mit Aspekten der Persönlichkeit Fromms auseinander.

…es sich auf der Erde heimisch machen
über Michel de Montaigne und seine „Essais“

Montaigne? Das ist doch so ein altehrwürdiger französischer Denker, dessen Texte ziemlich verstaubt und heutzutage schwer lesbar sind? Das stimmt so nicht, wie ich finde. Für mich ist er einer der originellsten Köpfe der neuzeitlichen europäischen Geistesgeschichte, und sein Werk, die Essais, ist durch neue Übersetzungen und Kommentare leicht zugänglich geworden. Hier soll kurz beschrieben werden, wer er war, worum es ihm ging und was sein Name in einem Blog über säkularen Buddhismus zu suchen hat. montaigne Michel de Montaigne lebte im 16. Jahrhundert in Südfrankreich. Er stammte aus einer Familie geadelter Kaufleute, sein Vater war durch Handel reich geworden. Als Kind wurde er sorgfältig und unorthodox erzogen: nach ersten Lebensjahren bei einer Amme in einfachen Verhältnissen gab ihm sein Vater einen Hauslehrer, der wie die ganze Familie nur lateinisch mit ihm redete, sodass ihm diese Sprache zeitlebens besonders geläufig blieb; er war von klein auf vertraut mit Schriftstellern und Philosophen der Antike. Er studierte Recht in Bordeaux und Toulouse und übernahm noch sehr jung ein öffentliches Amt bei Gericht. Im Alter von 38 Jahren gab er es auf, wohl unter dem Eindruck des Todes eines geliebten Freundes und einer kleinen Tochter. Der Rückzug ins Privatleben dürfte auch damit zu tun gehabt haben, dass er sich von den grausamen Religionskriegen zwischen Katholiken und Protestanten, die jahrzehntelang anhielten, möglichst fernhalten wollte. Montaigne verbrachte nun einen großen Teil seiner Zeit lesend und schreibend in einem Turm seines Schlosses. Ausgehend von der Lektüre antiker Autoren begann er, über alles zu schreiben, was ihm in den Sinn kam: über Kindererziehung, Philosophie, Literatur, und vor allem anderen offen und ungeniert über sich selbst: seine Freude am Leben und seine Unberechenbarkeit, seinen Umgang mit Bediensteten, seine Liebesverhältnisse und seine Ehe, seine Nierensteine, seinen Speisezettel, seine Trinkgewohnheiten und seine Reiseerlebnisse. Aus all dem entstanden im Lauf von Jahrzehnten die Essais 1, unsystematisch aneinandergereihte „Versuche“ über so ziemlich alles, was ihren Autor im Leben bewegte. Er schreibt im Vorwort:

Dies hier ist ein aufrichtiges Buch, Leser. Es warnt dich schon beim Eintritt, dass ich mir darin kein anderes Ende vorgesetzt habe als ein häusliches und privates. Ich habe darin gar keine Achtung auf deinen Nutzen noch auf meinen Ruhm genommen…Ich will, dass man mich darin in meiner schlichten, natürlichen und gewöhnlichen Art sehe, ohne Gesuchtheit und Geziertheit: denn ich bin es, den ich darstelle. Meine Fehler wird man hier finden, so wie sie sind, und mein unbefangenes Wesen, soweit es nur die öffentliche Schicklichkeit erlaubt hat…so bin ich selber, Leser, der einzige Inhalt meines Buches…

Das Blättern in dem umfangreichen Werk führt die Leserin zu Themen, bei denen der Autor deutliche Ablehnung äußert: er stellt sich gegen jede Form von eingebildeter Größe und zur Schau getragener Überlegenheit, gegen Heuchelei, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Rassismus, und gegen die Vorstellung, der Mensch – beobachtet vor allem in seiner eigenen Person – hätte feststehende, unwandelbare Eigenschaften. Abgesehen davon geht ein zutiefst positiver Grundton durch seine Texte, wie sein Übersetzer Hans Stilett in einer Auswahl besonders prägnanter Textstellen hervorhebt 2: so sagt Montaigne Ja zum praxisbezogenen Philosophieren, denn: die Philosophie hält ihre Lehren für jeden Menschen bereit, vom KIndesalter bis zum Wiederkindischwerden, und: Philosophieren heißt Sterben lernen, Ja zu Freundschaft und Geselligkeit, denn: die Freundschaft bildet die Krönung der Gesellschaft, Ja zum Essen und Trinken, denn: sie gehören zu den wesentlichsten Verrichtungen unsres Lebens, Ja zur Fröhlichkeit, denn: Der sicherste Stempel der Weisheit ist ein ununterbrochener Frohsinn, Ja zum Lesen, denn: die Bücher bieten denen, die sie recht auszuwählen wissen, viele Annehmlichkeiten, Ja zum Schlafen und Träumen, denn: ich glaube, dass Träume unsere Neigungen zutreffend interpretieren, Ja zur Krankheit, denn: wehzuklagen, weil einem etwas zustieß, das allen zustoßen kann, ist unangebracht, und schließlich auch Ja zu einer gelassenen Haltung gegenüber dem Tod, denn: da es gute Todesarten für Narren gibt und gute für Weise, machen wir doch solche ausfindig, die gut sind für die Menschen dazwischen. Montaigne war Katholik und hat sich, als er in den Zeiten der Religionskriege dazu gezwungen war, auch dazu bekannt. Aber das Christentum interessierte ihn wenig, über Jesus, Himmel und Hölle, die Dogmen der Kirche und Ähnliches hat er nicht geschrieben. Sein Welt- und Menschenbild war geprägt von Philosophen der griechischen Antike, von Vertretern der Stoa, des Skeptizismus sowie von Epikur und seinen Anhängern. Gemeinsam war ihnen das Streben nach Glück (griechisch: Έυδαιμωνία), womit sie gutes Leben in konkreter Praxis meinten. Den besten Weg dazu sahen sie in Gelassenheit (griech.: Άταραξία), dem Erreichen von innerem Gleichgewicht und Seelenruhe. Den Epikuräern ging es darum, heftige Affekte steuern zu lernen und so weit wie möglich im gegenwärtigen Augenblick zu leben. In Montaignes Essais gibt es viele Beispiele dafür, wie er diesem Vorbild zu folgen versuchte. Sein Wahlspruch lautete: Que sais-je? (dt.: Was weiß ich?), die kürzest mögliche Zusammenfassung skeptischen Denkens. Montaigne hatte dieses durch die Lektüre von Sextus Empiricus, einem Schüler des Pyrrho von Elis kennengelernt. Pyrrho reiste im 3. vorchristlichen Jahrhundert im Zuge der Eroberungs- und Kolonialisierungszüge Alexanders des Großen nach Indien und hat dort eine Zeitlang gelebt. In der aktuelle Forschung wird als wahrscheinlich angenommen, dass er – wie auch Epikur – von frühbuddhistischem Gedankengut beeinflusst war und es nach Europa brachte 3. Pyrrho schlägt vor, sich des Urteilens so weit wie möglich zu enthalten und zu keiner Sache wertend Stellung zu nehmen. Die Dinge seien unstabil, ihre Eigenschaften änderten sich je nach Blickwinkel und Konvention des Betrachters, daher könnten unsere Meinungen nichts Wahres oder Falsches über sie aussagen. Montaigne hat sich intensiv mit Pyrrho beschäftigt; dessen Einstellung der Epoché (griech.: ,Έπoχή), des Sich-Enthaltens von Urteilen, zieht sich durch das ganze Werk der Essais. Epoché zu üben, soll vor allem zu Gleichmut verhelfen; dass dieser durch Festhalten am Besitz einer vermeintlichen Wahrheit unmöglich wird, hat Montaigne als Zeitgenosse der jahrzehntelang wütenden Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten miterlebt. Maßhalten ist ihm Richtschnur für alles Denken und Handeln, er schreibt:

Man sieht gewöhnlich, dass gute Absichten, wenn sie ohne Mäßigung durchgesetzt werden, die Menschen zu sehr fehlerhaften Handlungen verleiten…Ich liebe die gemäßigten Naturen, die die Mittelstraße halten.

Dabei ist er kein Asket; er spricht sich dafür aus, die Freuden des Lebens zu genießen, ohne in Abhängigkeiten zu geraten. Man müsse sich quasi ein Hinterstübchen reservieren, in dem der Geist unabhängig von Äußerlichkeiten sich selbst genug sei.

Mäßigung und Mißtrauen gegen vermeintlich unverrückbare Wahrheiten sind die Hauptmotive im Denken Montaignes. Beides sind Eckpfeiler buddhistischer Lehre. Vom „Mittleren Weg“ zwischen den Extremen der Zügellosigkeit und übertriebener Askese sprach Siddharta Gotama bereits in der ersten Lehrrede nach seinem „Erwachen“; sein „Prinzip der Bedingtheit“, der dauernden Veränderung aller Phänomene, stellt alle unveränderlichen Glaubenssätzen in Frage. Gedanken, die Buddha hinterlassen hat, haben ihren Weg über seine frühen Nachfolger in Indien in die griechische Philosophie der Antike und weiter durch die europäische Geistesgeschichte gemacht; Montaigne hat sie aufgenommen und brillant damit gearbeitet und gespielt 4.

Seine Essais waren von Anfang an ein Bestseller, sie werden bis heute geschätzt, viel gelesen und oft zitiert. Philosophen haben seine Gedanken weiterentwickelt, Schriftsteller ihn kommentiert und seinen Einfluss auf ihr Leben geschildert.

  1. Montaigne, Michel de: Essais, erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stilett, 1998
  2. s.: Stilett, Hans: Michel de Montaigne, Von der Kunst, das Leben zu lieben, 2007, S.14 f.
  3. s. den Beitrag „Alles hängt zusammen“ auf diesem Blog, in dem das beachtliche Werk von Thomas McEvilley: The Shape of Ancient Thought vorgestellt wird
  4. eine anregende Einführung in Montaignes Leben und Werk bietet: Bakewell, Sarah: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten, München 2012, Übersetzung der englischen Originalausgabe: How to Live or A Life of Montaigne in one question and twenty attempts at an answer

Nach dem Buddhismus
Gedanken und Fragen, formuliert von Stephen Batchelor

Vor wenigen Wochen wurde eine Vortragsreihe von Stephen Batchelor mit dem Titel „Nach dem Buddhismus“ im Internet zugänglich gemacht 1.

Es geht Stephen Batchelor nicht darum, Buddhismus zu dekonstruieren, wie er sagt, sondern das herauszuschälen, was Buddhas eigenständige Lehre sei. Zentrale Elemente davon seien in jedem Fall „die vier Aufgaben“, meist „die vier (edlen) Wahrheiten“ genannt, und von diesen sei der Ausgangs- und Angelpunkt für unsere Lebenspraxis, wie wir mit Schmerz, dukkha„, umgingen 2. Dabei komme es darauf an, wie wir Sprache einsetzten und wie wir von ihr unser Denken und Handeln prägen ließen: der Satz „Leben ist Leiden“ sei als Dogma formuliert, während „umarme den Schmerz“ eine Anleitung für die Praxis sei, und darum wäre es Buddha gegangen.

Batchelor stellt die Frage, ob es notwendig sei, registrierte/r Buddhist/in zu sein, um die vier Aufgaben zu leben, und er meint, das wäre es nicht. Antworten auf die grundlegenden Fragen über Geburt und Tod, über den Sinn des Lebens – für ihn religiöse Fragen – könnten wir in der Tradition Buddhas finden, ohne dass wir in unserer religiösen Identität buddhistisch werden müssten, in Opposition zu Christen, Juden oder Muslims. Es könnte darauf hinauslaufen, eine Kultur des Erwachens weiterzuentwickeln, und nicht die Religion Buddhismus. Es sei schon Buddha nicht um die Formulierung von Glaubenssätzen in Abgrenzung zu vorhandenen Religionen gegangen 3.

Batchelor spricht ausführlich über die geistige Tradition, die, ausgehend von Buddhas Lehre, auch in unserem westlichen Denken Wurzeln geschlagen habe. Er beschreibt Grundzüge hellenistischer Philosophie bei Epikur und vor allem bei Pyrrho von Elis, der im 4. vorchristlichen Jahrhundert Indien bereist habe, und dessen Lehre erstaunliche Parallelen zu buddhistischem Gedankengut aufweise 4. Als Beispiele für weitere Vertreter dieser „lineage“, dieser geistigen Abstammungsreihe, nennt er unter anderen den römischen Dichter Lukrez, den französische Autor der berühmten „Essais“ Michel de Montaigne und den englische Lyriker John Keats. Diese Denker hätten nicht direkte Anleihen bei buddhistischem Gedankengut genommen, vielmehr eine geistige Kontinuität entwickelt; buddhistische Ideen wären von ihnen mit wichtigen Ansätzen westlichen Denkens verknüpft worden. Es gebe hier eine gemeinsame, religionsübergreifende Tradition in Asien und Europa, die trotz massiver Erschwernisse bis heute lebendig geblieben sei; daran hätten auch das Verbot hellenistischer Philosophie unter Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert n. Chr. und die Versuche in Zeiten des Kolonialismus, östliches Denken als minderwertig darzustellen, nichts ändern können.

Die „vier Aufgaben“ als ein Kernstück buddhistischen Denkens seien von besonderer Bedeutung beim Nachdenken über die Frage, was vom Buddhismus bleiben werde; ob er den Übergang von indischer Kosmologie in die saekulare, globalisierte Gegenwart schaffen werde. Dies ist für Batchelor nicht entschieden. Und werde das, was dabei herauskommt, noch Buddhismus sein, oder etwas anderes?

Batchelor spricht respektvoll über die Rolle von Ritualen in unserem Leben: sie würden uns verlangsamen, und sie trügen dazu bei, Unsichtbares sichtbar zu machen.

  1. Batchelor hat dieses Seminar – teilweise gemeinsam mit Joan Halifax – im Feber 2013 im Upaya Zen Center in New Mexico, USA, gehalten; die Texte sind als Serie von Audio-Files frei zugänglich unter: http://www.upaya.org/dharma/after-buddhism-series-all-12-parts/. Dieser Beitrag bringt vor allem Inhalte aus den Abschnitten 8 und 9, ausgewählt und frei wiedergegeben von Evamaria Glatz
  2. s. die Seite „Was ist saekularer Buddhismus“ auf dieser Website
  3. Batchelor verweist auf neue Forschungsergebnisse, wonach brahmanisches Gedankengut zu Buddhas Lebenszeit in seiner Region zwar nicht unbekannt, aber keineswegs so dominant wie in späteren Jahrhunderten gewesen sei, sodass kritische Auseinandersetzung damit nicht unmittelbar anstand. Er erwähnt dabei den Forscher Johannes Bronkhorst, vor allem sein Werk: Greater Magadha, Studies in the culture of early India, 2007
  4. s. auch der Beitrag auf diesem Blog: Alles hängt zusammen

Alles hängt zusammen

Im Sommer 1983 bereiste ich gemeinsam mit einem Freund auf eigene Faust Ladakh – „Klein-Tibet“ – von Kaschmir aus. Es war meine erste Begegnung mit buddhistischer Kultur. Wir bestaunten bunte Gebetsfahnen am Straßenrand, die vielen Stupas und die klar gegliederte Architektur der Wohnhäuser, Klöster und Paläste auf unserem Weg. Die Menschen, alle in Landestracht gekleidet, kamen uns freundlich entgegen, und wir wurden immer wieder Zeugen ihrer tiefen Hingabe an die Religion, einer Mischung der alten Bön-Tradition mit dem Buddhismus. Es war vor allem das „ganz Fremde“, das uns anzog. Das Dorf Alchi liegt im schmalen Grünstreifen des Industals, ein paar Kilometer abseits der Hauptstrasse. Dort steht ein kleiner, durch seine farbenprächtigen Wandmalereien bekannter Tempel aus dem 12. Jahrhundert. Die sehr gut erhaltenen Bilder erstaunten uns durch viele Details, an denen wir sehen konnten, wie weit gereist die Künstler gewesen sein mussten. Als ich die aus Holz gearbeiteten Säulen des Haupttempels näher betrachtete, traute ich meinen Augen kaum: die Kapitelle, also die oberen Enden, ähnelten auffallend denen ionischer Säulen, die ich gut aus dem Schulunterricht über die Kunst des alten Griechenland kannte. alchi kapitelle jonisches kapitell Da musste es trotz der großen Distanz und mangelnder Straßen intensiven kulturellen Austausch gegeben haben, und zwar über Jahrhunderte hin. Die Erfahrung stand in Widerspruch zu meinem Schulwissen, in dem solche Querverbindungen keinen Platz hatten. Schon zwanzig Jahre vor unserer Reise hatte der US-amerikanische Altphilologe, Kunstkritiker, Kulturphilosoph und Dichter Thomas McEvilley mit der Erforschung der Beziehungen zwischen griechischer und indischer Geistesgeschichte begonnen. Es wurde ein Lebenswerk; dreissig Jahre lang arbeitete er an dem Buch: The Shape of Ancient Thought 1. McEvilley hat einige Grundannahmen formuliert, die nach seiner Meinung in der traditionellen europäischen Geschichtsforschung nicht nur ignoriert, sondern aktiv unterdrückt worden seien.Er erinnert daran, dass sowohl Griechenland als auch Indien um ca.. 600 v. Chr. Teile des Persischen Reichs gewesen seien und dass damals auf dem Weg über Mesopotamien enger kultureller Austausch stattgefunden habe, wie er an vielen, vor allem kunstgeschichtlichen Beispielen belegt. Zu dieser Zeit hätte es starke Impulse aus Indien nach Griechenland gegeben, unter deren Einfluss sich dort das Denken der vorsokratischen Philosophen entwickelt hätte, das bis heute die Wurzeln der westlich-zivilisatorischen Tradition bilde. Etwa zwei Jahrhunderte später hätte dann im Zug der Eroberungen Alexander des Großen eine Gegenbewegung stattgefunden: Alexander sei es nicht nur um Landgewinn gegangen; er habe zahlreiche griechische Kolonien bis nach Baktrien, dem heutigen Afghanistan, und Nordindien, etabliert, wo griechische Siedler sich niedergelassen und mit der örtlichen Bevölkerung vermischt hätten. Diese Kolonisten hätten dazu geneigt, sich Buddhas Lehre anzuschließen, weil in dieser das Kastensystem keine Geltung gehabt habe und Zugezogene daher leichter akzeptiert worden seien. Die Siedler hätten einen reichen Schatz an Kunstfertigkeit und auch an philosophischem Wissen mitgebracht, der unter anderem deutliche Spuren im frühbuddhistischen Denken hinterlassen habe. Der Autor unterstreicht, dass es insgesamt etwa 800 Jahre lang fruchtbaren, friedlichen Austausch zwischen Griechenland und Indien gegeben habe; wie leicht das möglich gewesen sei, belegt er unter anderem durch die Aussage des Geographen Strabo, der um die Zeitenwende lebte, dass jedes Jahr mehrere hundert Handelsschiffe das Rote Meer passierten, die natürlich auch Schriften, Kunstwerke und Wissenschafter transportieren konnten. Über hunderte von Seiten stellt McEvilley philosophische Gedankengänge aus Ost und West einander gegenüber und diskutiert an Hand unzähliger Zitate ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede. Im Detail vergleicht er Aussagen griechischer und indischer Philosophen einzelner Epochen und Schulen. Dabei lässt er sich nicht darauf ein, aus Zeitabfolgen simple Kausalitäten abzuleiten, aber er zeigt zahlreiche Parallelen auf, oft bis in die Einzelheiten des Wortlauts. Zwei Beispiele aus dieser umfassenden Arbeit: einmal die Verwandtschaft, die McEvilley im Denken des Griechen Pyrrho von Elis und des Inders Nagarjuna aufspürt. Pyrrho reiste um 400 v. Chr. nach Indien und blieb dort etwa 18 Monate. Nach seiner Rückkehr lehrte er etwa 40 Jahre lang und begründete eine philosophische Denkströmung, die später dem Skeptizismus zugerechnet wurde. Niedergeschriebene Texte hinterließ er nicht, seine Arbeit ist aber gut dokumentiert und nachvollziehbar durch seinen Schüler Sextus Empiricus. Nagarjuna lebte wie dieser im 2. Chr. und wird heute als erste bedeutende Persönlichkeit des Mahayana-Buddhismus angesehen. Stephen Batchelor sagt über ihn, er sei der erste nach Buddha gewesen, der dessen Lehre mit seiner eigenen Stimme neu formuliert habe. In Pyrrhos wie in Nagarjunas Denken bilde es, wie McEvilley referiert, einen Angelpunkt, sich von Urteilen frei zu halten, von Sätze wie: „Ich existiere“, „Es gibt ein Selbst“, „Es gibt kein Selbst“, „Die Welt ist real“, „Die Welt ist nicht real“ usw. Beide gingen von Erfahrungen aus, nicht von einer den Dingen innewohnenden Natur. Die Tendenz des Menschen, sich Konzepte von sich selbst und der Welt zu machen, werde radikal in Frage gestellt. Positive und negative Einschätzungen argumentierend einander gegenüber zu stellen, mache den Geist krank; wer das Urteilen aufgebe, Bestätigung und Verneinung meide, gelange zu Freiheit und Seelenruhe. Es gehe nicht darum, einen neuen Standpunkt zu finden, sondern sich klar zu machen, dass es keinen Standpunkt gebe. 2 Ein späteres Kapitel widmet McEvilley der „Ethik des Gleichmuts“. Er stellt Begriffe davon in ihrer historischen Entwicklung in indischen und griechischen Traditionen einander gegenüber. Als das höchste ethische Gut würde „Upecca“ in Sanskrit, „Ataraxia“ im Griechischen verstanden: auf Positives wie Negatives mit demselben Geisteszustand von Gelassenheit zu reagieren. Diesen anzustreben habe sowohl in der griechischen als auch in der buddhistischen Tradition eine therapeutische Note. Der griechische Philosoph Epikur aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert habe dieses Denken vertreten und verbreitet. Im heutigen Sprachgebrauch sei der Begriff „Epikuräismus“ irreführend verfälscht. Epikur sei es nicht um Wohlleben und Vergnügen gegangen, er und seine Schüler hätten ein recht asketisches Leben geführt. Er habe sich mehr als Lebensberater als als Philosoph gesehen. Wie für den Buddha sei für ihn der Umgang mit Schmerz und Freude ein zentraler Begriff und Ausgangspunkt seiner Ethik gewesen. Es sei ihm darum gegangen, wie der Krankheit des Geistes – dem Bevorzugen angenehmer und dem Zurückweisen unangenehmer Zustände – begegnet werden könne. Er habe sich – wie Buddha – ausführlich damit beschäftigt, wie derartige, automatisch ablaufende psychische Prozesse durch Achtsamkeit unterbrochen werden könnten. Epikur habe zu Lebzeiten und auch in den Jahrhunderten danach viele Anhänger gehabt, seine Lehre habe erst mit dem Aufstieg des Christentums an Einfluss verloren. Wenn die Zusammenhänge und Querverbindungen zwischen indischem und griechischem Denken so unübersehbar und zahlreich waren, wie McEvilley darlegt, warum gibt es so wenig an akademischem und Alltagswissen darüber? Darauf gibt der Autor eine eindeutige Antwort: die Ursache dafür liege in der im Westen lange vorherrschenden Überzeugung von der Unterlegenheit aller nichteuropäischen Völker. Im expandierenden Europa des 18. Jahrhunderts sei es als Rechtfertigung für das Projekt der Kolonialisierung nötig gewesen, die führende Rolle westlichen Denkens allen anderen Kulturen gegenüber klar zu stellen; dafür sei die Idee von den griechischen Weisen, die aus eigenem und unbeeinflusst die Grundlagen der europäischen Zivilisation gelegt hätten, unverzichtbar gewesen. Ein Ergebnis seiner Forschungen sei, dass es kein wichtiges Thema gebe, das nicht in beiden Traditionen – die einander oftmals angeregt, befruchtet und gespiegelt hätten – behandelt worden wäre. Darüber hinaus sei die lange Zeit propagierte Vorstellung, in Europa hätte rationales Denken vorgeherrscht, während in Indien Irrationalität und Mystizismus dominiert hätten, nicht aufrecht zu erhalten; da wie dort hätte es Denkströmungen beider Richtungen gegeben. Warum habe ich versucht, Bruchstücke des umfassenden und kenntnisreichen Werkes von Thomas McEvilley hier zu präsentieren? Es ist dieselbe Neugier, die mich schon im Kloster von Alchi bewegt hat: standen Ost und West in Verbindung, lang bevor es den Begriff „Globalisierung“ gab, und wenn ja, wie? Ich finde es spannend, wie der Autor herausarbeitet, dass buddhistisches Gedankengut schon seit vielen Jahrhunderten auch in unserem westlichen Kulturkreis gewirkt hat. Vieles davon ist seit der „Konstantinischen Wende“ im 4. nachchristlichen Jahrhundert , die mit der Einsetzung des Christentums als Staatsreligion endete, überlagert worden und im kollektiven Bewusstsein Europas in Vergessenheit geraten. Zu dessen Freilegung beizutragen, scheint mir wichtig und lohnend, und mit diesem Beitrag würde ich gern mehr Interesse dafür wecken. Für einen ersten Einblick eignet sich gut McEvilleys You-Tube-Video, das unter Anm. 1 zitiert ist.

  1. McEvilley, Thomas: The Shape of Ancient Thought, Comparative Studies in Greek an Indian Philosophies, Allworth Communications, 2002, 676 Seiten; auch als e-book erhältlich. Unter http://www.youtube.com/watch?v=8HAiTfOSP_w&feature=gv gibt es ein etwa halbstündiges Video, in dem der Autor Grundzüge seiner Forschungsergebnisse referiert
  2. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Denken Pyrrhos und dessen Zusammenhängen mit dem Buddhismus bietet auch: Kuzminski A.: Pyrrhonism: how the ancient Greeks reinvented Buddhism. Lexington Books: Lanham 2008.

Wo sind die Frauen?

Vielleicht habe ich mich schlecht informiert. Aber bei aller Beschäftigung mit säkularem Buddhismus und seiner „Verwandtschaft“ in Vergangenheit und Gegenwart sind mir fast keine Frauen untergekommen. Das gilt für die „lineage“, von der Stephen Batchelor spricht, die geistige Abstammungslinie von Vertretern skeptischen und/oder agnostischen, humanistischen Gedankenguts, das mit Buddhas Lehre verwandt und vereinbar ist. Die hellenistischen Philosophen, Lukrez im alten Rom, Michel de Montaigne und noch etliche andere…alles Männer. Und heute? Viele Buddhistinnen haben in Vergangenheit und Gegenwart bedeutende Beiträge zur Entwicklung von Theorie und Praxis geleistet.Ich nenne nur ein paar Frauen, deren Texte ich gelesen und von denen ich viel gelernt habe: Yoko Beck, Pema Chödrön, Ayya Khema, Sharon Salzberg…die Liste ließe sich lange fortsetzen. Alle genannten Frauen vertreten mehr oder weniger streng eine der gängigen Schulen des Buddhismus. Warum ist das so? Mir fehlen die kritischen Geister, die über vorgegebenes Regelwerk hinausschauen und -denken. Für die Gegenwart fällt mir hier nur Martine Batchelor ein; von ihren zahlreichen Veröffentlichungen möchte ich in diesem Zusammenhang vor allem ihr grundlegendes Buch über Meditation nennen, in dem sie kenntnisreich – und unbekümmert um die Abgrenzung einzelner Traditionen – auswählt, was ihr wichtig scheint 1. Aber sonst? Habe ich zu wenig gesucht? Ich lasse mich gern eines Besseren belehren und würde mich gerade zu diesem Thema über Beiträge freuen, besonders von Frauen.

  1. Batchelor, Martine: Meditation for life, 2001, dt. Übersetzung : Meditation, Freiburg 2003

Wir und das Geld

Wenn man die Website von Karl-Heinz Brodbeck auch nur überfliegt, schwirrt einem der Kopf. Er ist ausgebildeter Elektroingenieur, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre, Kreativitätsforscher und Philosoph, hat zahlreiche Bücher verfasst oder herausgegeben, noch mehr Artikel geschrieben und ist Mitglied diverser Stiftungen und wissenschaftlicher Vereinigungen. Brodbeck praktiziert in der Schule des tibetischen Dzogchen und versteht sich als engagierter Buddhist. In der frühen Blütezeit des Buddhismus seien dessen Lehrer gleichzeitig auf dem höchsten Stand des Wissens in anderen Disziplinen gewesen und hätten dieses weitergegeben; an diese Tradition schließe er mit seiner Verknüpfung des Dharma mit Nationalökonomie an. So leitete er einen Vortrag zum Thema: Wirtschaften mit ethischen Maßstäben?! im April 2013 ein 1. Brodbeck beginnt mit einem Beispiel aus dem Werk Nagarjunas, des großen indischen Philosophen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., durch das er Buddhas Lehre von der Abhängigkeit aller Wesen, gleichzeitig auch aller Phänomene – seien sie materiell, sinnlich oder geistig – demonstriert: Mutter und Kind könnten nicht unabhängig voneinander gedacht werden; erst das Kind mache die Mutter zur Mutter und umgekehrt. Beide hätten keine unabhängige Selbst-Natur, keine eigenständige Substanz. Die Bestimmung nur in gegenseitiger Abhängigkeit zu finden, sei mit dem Grundprinzip der „Leere“ gemeint. Weiters bekennt er sich zu Buddhas Satz „Den Dingen geht der Geist voran“, mit dem gesagt sei, dass die Welt vom Bewusstsein gelenkt werde, dass hier auch die Kraft liege, die Welt zum Guten oder zum Schlechten zu gestalten.Da es keine unveränderbare Menschennatur gebe, könne nahezu jeder „Charakterzug“ durch Motivation und daraus folgende Bewusstseinsprozesse und Handlungen beeinflusst und verändert werden. Philosophen hätten immer wieder versucht, diesen Satz auf den Kopf zu stellen wie Karl Marx mit seinem Diktum vom Sein, das das Bewusstsein bestimme. Menschen seien unter den unausweichlichen Bedingungen ständigen Wandels auf der Suche nach Sicherheiten; das führe dazu, dass wir immer wieder unsere Erfahrungen in Begriffe übersetzten. So würden wir über Gebühr das Wort „ich“ gebrauchen, und in Verbindung damit gleich den Begriff „mein“, als könnte die Abgrenzung von anderen Menschen und das Abstecken eines individuellen Territoriums Verunsicherung reduzieren. Das sei mit dem Gift der Unwissenheit oder auch Verblendung gemeint. Zum Thema „Geld“ stellt er fest, dass trotz dessen dauernder Präsenz seit Jahrhunderten sein Wesen kaum erfasst worden sei. Brodbeck sagt: Geld ist kein Ding, es ist eine fiktive Größe. Wert wird ihm nur zugesprochen, weil alle sich so verhalten, als hätte es Wert, weil wir darauf vertrauen, dass das so sei. Daraus resultiere kollektive Verblendung; wir alle reproduzierten laufend die Macht des Geldes, und obwohl das Geld uns alle verbinde, glaubten wir paradoxerweise, unser eigenes Geld hätte einen speziellen Charakter. Und so versuchten Menschen durch bloße Vermehrung der eigene Geldmenge auf Kosten anderer Sicherheit zu gewinnen: hier kämen die beiden anderen Gifte Gier und Hass ins Spiel. Dass Geldwerte fiktiv seien, dass das Streben nach mehr Geld einer globalen Illusion folge und diese gleichzeitig erzeuge, ließe sich in der Gegenwart an Hand der Blasen an den Börsen und Finanzmärkten unmittelbar nachvollziehen. Ökonomisches Kalkül hätte mehr und mehr die Übermacht über andere Denkformen gewonnen und die im Geld liegende Illusion zu einer Gewohnheit gemacht. Dies führe nach buddhistischer Analyse auf vielfältige Weise zu Leiden, wie sich an den Finanzkrisen des Kapitalismus zeige, die in den letzten Jahren neue, immer gefährlichere Ausmaße angenommen hätten. Krisenbekämpfung kann nach Brodbecks Einschätzung nicht einfach durch äußere Begrenzung von Geldgier gelingen. Der irrationalen Gewohnheit des Strebens nach mehr Geld sollten wir das Aufdecken seiner Schein-Natur entgegensetzen. Wir müssten verstärkt Bewusstsein dafür schaffen, dass in einer Welt gegenseitiger Abhängigkeit aller Wesen und Dinge die einzigen gerechtfertigten und gleichzeitig sinnvollen Handlungsmotive Gewaltlosigkeit, Toleranz, Mitgefühl, Fairness und Vertrauen seien. Der Glaube an fiktive Geldwerte, Gier und Aggression im wirtschaftlichen Wettbewerb verhinderten systematisch die Erkenntnis, dass Glück eine erlernbare Bewusstseinsform von Schlichtheit und Freundlichkeit sei.

  1. Der Anlaß dafür war ein Symposium der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft in Wien. Die Hauptgedanken von Brodbecks Rede können auf seiner Website: http://www.khbrodbeck.homepage.t-online.de/ unter dem Titel Grundlagen der buddhistischen Wirtschaftsethik nachgelesen werden

Das Unglück und das Glück

Wenn Ihr die Schmerzen nicht haben wollt, spricht das Leben, sollt ihr auch die Lust nicht haben. Richtet ihr euch auf mich ein, so verfehlt ihr zum vornherein die Richtung. Es begegnen mir da zu viele Gerechte, die wollen mich alle meistern. Wenn ich sie aber einfach nicht beachte?…Da kommen sie mir nun alle mit ihrer Lebenskunst und haben bloß die Kunst, aber nicht mich. Nur in mir würden sie die Kunst finden können, aber wenn sie sie fänden, würden sie sie gar nicht mehr so nennen. Ich soll sie nicht mehr unglücklich machen dürfen, aber wie können sie dann je glücklich werden, wie können sie dann je fühlen, was Glück ist, da doch Glück vom Unglück so wenig zu trennen ist wie Licht vom Schatten, die einander bedingen.

Robert Walser

Die vier Phasen des Loslassens
von Martine Batchelor

Martine BatchelorDas werdet ihr weder in der Zen-Tradition noch in der Theravada-Tradition finden können. Ich habe es entwickelt – seht, ob es für euch passt oder nicht. 1

Was bedeutet „Loslassen“ für jeden einzelnen von uns in der Praxis? Sich alleine das Wort vorzusagen, ändert gar nichts. Ich spreche von vier Phasen: DanachWährendam AnfangVorher. Danach: Wenn du dich über irgendeine Sache sehr aufgeregt hast: wie alle Dinge ist sie und deine Aufregung unbeständig und irgendwann vorbei, und du bist nicht mehr so involviert und siehst dir die Situation an und denkst: da war ich ganz schön verstrickt. Für mich ist das schon Loslassen. Anstelle dir zu sagen: ich habe recht gehabt etc., setzt du ein, was ich kreative Achtsamkeit nenne. Du denkst nicht mehr: das – was immer es war – ist doch wirklich wahr, und niemand sollte es in Frage stellen. Du beginnst zu denken: vielleicht war es nicht ganz so wahr, wie ich dachte. Du fängst dabei aber nicht an, dich selbst wegen deines Verhaltens schlecht zu machen. Es geht darum, zu sehen: unter welchen Bedingungen steigere ich mich in etwas hinein, was sind die Auslöser? Du sagst dir dann nicht mehr: ich konnte nicht anders, sondern siehst dir die Sache näher an. Loslassen übst du immer, wenn Du Schwierigkeiten hast – man lernt das nicht im Paradies, sondern immer dann, wenn man an einer Sache festhält. Schwierigkeiten sind der Stoff, der durch einen Prozess des Beobachtens und Lernens zu Erwachen führt. Während: Diese Phase des Loslassens – wenn du in einem negativen Muster gefangen bist – ist die schwierigste. Nach einer gewissen Zeit der Praxis wird man achtsamer, und du bist dir also dessen bewusst, dass du gefangen bist, zum Beispiel in Wut – aber das ändert nichts: Achtsamkeit funktioniert nicht wie ein Zaubermittel. In Reaktionen wie Wut liegt viel Energie, die ein allgemeines vages Gefühl von Achtsamkeit nicht auflösen kann. Dazu braucht es ein Element von Kreativität. Es kann hilfreich sein, in die Reaktionen seines Körpers hinein zu spüren. Damit das funktioniert, muss die Kraft der kreativen Achtsamkeit gleich stark sein wie die des gewohnheitsmäßigen Musters. Wenn wir in Meditation sitzen, entwickeln wir diese Energie kreativer Achtsamkeit. In Phasen von Verstricktheit kann einfach helfen, sich den eigenen Zustand bewusst zu machen und sich zu fragen: was kann ich tun, um ihn nicht noch zu verstärken? Manchmal haben wir so viel Angst vor den eigenen Emotionen: sie könnten uns über den Kopf wachsen. Aber jedes Gefühl kommt, bleibt eine Weile und vergeht dann wieder, und wenn wir es nicht nähren, wird es nachlassen. All dies hat mit der 1. „Edlen Wahrheit“ zu tun: Schmerz umarmen. Dieser Zugang kann dazu führen, dass die kritische Phase weniger lang dauert und weniger intensiv ist, und das sollten wir wertschätzen. am Anfang: Du lernst also, dass du nicht immer in Verhaltensmustern gefangen bist: du siehst die Auslöser, die Bedingungen, die Faktoren, die dazu beitragen. Die Achtsamkeit, die wir entwickeln, ist kein statischer Zustand, sondern klarere Sicht, die uns kreatives Handeln ermöglicht. Und das sollte am Beginn eines Verhaltensmusters einsetzen. Man kann sich auf auslösende Faktoren einstellen und vorbereiten. Aus diesem Grund ist es so wichtig, uns selbst zu kennen: nicht, damit wir uns Selbstvorwürfe machen, sondern um zu wissen: wie ticke ich und wie kann ich mir selber helfen? Bis zu einem bestimmten Punkt meinen wir, unsere Gewohnheiten wären stärker als wir selbst. Aber mit der Zeit wird die Kraft kreativer Achtsamkeit genauso stark, und die Gewohnheit ist nicht mehr unüberwindlich. Vorher: Jetzt kennst du also deine Gewohnheiten, und deine kreative Achtsamkeit ist stärker als deine Verhaltensmuster. Dann tritt eine Situation ein, in der du immer wieder in ein solches Muster fällst. Sich dann anders zu verhalten als gewohnt, kann große Angst auslösen. Deshalb ist Verhaltensänderung so schwierig: wir ziehen den Schmerz des Bekannten dem Nicht-Schmerz des Unbekannten vor. Wenn man dennoch wagt, sich anders, neu zu verhalten, kann das große Erleichterung auslösen, und man fragt sich dann: warum habe ich das nicht früher gemacht? Mitgefühl für sich selbst und für andere kann Auslöser sein, dass man sich diesen altgewohnten Schmerzen nicht mehr aussetzt. Auch hier kommt die 1. „Edle Wahrheit“ ins Spiel: wenn du dich mit Schmerz vertraut gemacht hast und ihn spürst, dann kannst du irgendwann nicht anders, als den Schmerz, den du dir selbst zufügst, loszulassen. Das sind die vier Phasen des Loslassens. Jetzt möchte ich sie mit einem Element der koreanischen Zen-Tradition verknüpfen, das bezeichnet wird als: plötzliches Erwachen, gefolgt von schrittweiser Praxis. Manchmal wird so von „Erleuchtung“ gesprochen: wenn sie dir widerfährt, schwebst du im Raum herum, leuchtend wie ein Christbaum. Und so sitzen wir in Meditation und warten darauf, abzuheben…und wann geht das Licht an? …und mein Licht ins größer als deines… Wenn wir das aber anders denken: es gibt Momente plötzlichen Erwachens, denen schrittweise Praxis folgt, und darauf folgt wieder ein Moment plötzlichen Erwachens, und dann kommt wieder schrittweise Praxis und so weiter – dann sind alle Momente des Loslassen Momente plötzlichen Erwachens. Plötzliches Erwachen bedeutet einfach, dass in jedem einzelnen Augenblick etwas passieren kann. Aber nicht im Sinn des Abhebens und Erleuchtetseins, sondern: in jedem einzelnen Moment kann ich loslassen und dadurch klar sehen, vielleicht etwas, was ich nie zuvor gesehen habe. Es gibt solche Momente, in denen wir anders als sonst reagieren: offener, kreativer, geduldiger. Diese Momente sind etwas Besonderes, aber sie gehen vorbei, und im nächsten Augenblick kann es geschehen, dass wir wieder an etwas festhalten. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, dass es weniger Augenblicke des Festhaltens gibt, und dass sie weniger lange andauern – dafür brauchen wir die schrittweise Praxis. Auf die Momente des plötzlichen Erwachens dürfen wir nicht warten. Wenn sie aber kommen, dienen sie dazu, unser Vertrauen darauf aufzubauen, dass wir durch schrittweise Praxis bewirken können, Frieden und Klarheit zu erfahren. Dafür brauchen wir einen geduldigen Geist. Und da wir so viele Gewohnheiten haben, sollten wir eine nach der anderen bearbeiten. Gezielt auf plötzliches Erwachen zu warten, wäre ein Irrweg; berechnend wirst du es nie erfahren. Die Sache ist knifflig: Wir sitzen also in Meditation, und zwar nicht, weil wir nichts Besseres zu tun haben, wir haben Gründe dafür. Wir hoffen auf Weisheit, Mitgefühl und Erwachen. Und wenn wir also sitzen, warten wir, dass etwas Besonderes passiert. Wir hören so viel von diesen besonderen meditativen Erfahrungen – ja, sie passieren, aber wir dürfen nicht glauben, dass sie der Kern der Sache seien. Auf dem Pfad zu Weisheit und Mitgefühl geht es um das Loslassen, und die besonderen Erfahrungen sind eine Begleiterscheinung.

  1. bei diesem Text handelt es sich ursprünglich um gesprochenes, nicht geschriebenes Wort in englischer Sprache; der Vortrag wurde gehalten in Gaia House, England, am 10.4.2012, zugänglich unter: http://www.dharmaseed.org/teacher/119/?search=four+stages; mit Zustimmung der Autorin frei auf deutsch wiedergegeben und gekürzt von Evamaria Glatz

Bodhisattva-Gelübde 2.0

Stephen Batchelor spricht gern von Buddhismus 2.0, den es zu entwickeln gelte 1. Für ihn besteht der Hauptunterschied zu Buddhismus 1.0 darin, dass dieser auf Glaubenssätzen basiere, Buddhismus 2.0 dagegen auf Praxis. Dementsprechend seien die „Vier Edlen Wahrheiten“ nicht als Dogmen zu verstehen, sondern als Anregungen zum Handeln 2. In diesem Geist haben wir versucht, die altehrwürdigen Bodhisattva-Gelübde schlicht und alltagstauglich für unser Leben im 21. Jahrhundert neu zu formulieren, in einer Weise, die nicht mutlos macht angesichts der eigenen Unzulänglichkeit. Der Vortrag von Martine Batchelor, der im vorigen Beitrag vorgestellt wurde, war dabei anregend, vor allem ihre Hinweise, dass wir nicht alles an dem Text wortwörtlich nehmen, sondern ihn als Hilfe verstehen sollten, Offenheit und Mitgefühl in uns wach zu rufen.

  1. etwa in einem Artikel in „Buddhismus aktuell“, 2/2013
  2. s. die Seite „Was ist säkularer Buddhismus?“ auf dieser Website