Scientismus und Säkularismus

In den letzten Monaten stolpere ich immer häufiger über Veröffentlichungen und Diskussionen, in denen Wissenschaftler und an Wissenschaft Interessierte ein regelrechtes Religions-Bashing betreiben. Leute wie Richard Dawkins1, Christopher Hitchens2 oder Sam Harris3 fallen über Religion bzw. bestimmte Religionen her und erklären, dass es der Welt ohne Religion besser ginge, und dass das alleinige Heil für alle Belange der Menschen in der Wissenschaft liege. Nun habe ich mit Religion im Sinne von dogmatischem Glauben an irgendeine bestimmte Metaphysik wirklich nichts am Hut, aber ein blinder Glaube an die Dogmen und Ergebnisse der Wissenschaft stört mich mindestens ebenso. Wahrscheinlich sogar noch mehr, weil die Wissenschaftsgläubigen von sich glauben, dass sie keine Dogmen hätten. Dabei fängt das schon mit dem Dogma an, mit wissenschaftlichen Methoden gewonnenes Wissen sei jedem anderen überlegen. Dabei gibt es schon eine jahrtausendelange Diskussion darüber, was man überhaupt wissen kann. Kaum jemand hat sie so kompakt zusammengefasst wie Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Eine in der Philosophie weithin akzeptierte Definition von Wissen beschreibt dieses als „wahrer und gerechtfertigter Glaube“ (plus einem weiteren noch diskutierten, und noch nicht allgemein akzeptierten, Attribut, nach dem gesucht wird, seit Gettier4 in den 1960ern gezeigt hat, dass diese Definition alleine nicht ausreicht). Das Schlüsselwort hier ist aber „Glaube“! Wann nun etwas „gerechtfertigter“ Glaube ist, darüber kann man trefflich streiten, aber gegenüber anderem Glauben hat Wissen den großen Vorteil, dass man seine „Wahrheit“ zwar auch nicht letztgültig beweisen, aber immerhin doch widerlegen (falsifizieren) kann – zumindest prinzipiell. Das heißt aber trotzdem auch, dass es sich bei Wissen immer nur um provisorische Annahmen handelt. Diese Annahmen können ausgesprochen nützlich für praktische Belange sein, aber sie bleiben dennoch, was sie sind – Annahmen. Das vergessen wir allzu gerne. Auch die wissenschaftliche Methodik ist keineswegs über jeden Zweifel erhaben: Ein Großteil des Erkenntnisgewinns basiert auf Verallgemeinerung von Einzelbeobachtungen, bestenfalls einer ganzen Menge davon. Aus Beobachtungen wie „Dieser Schwan ist weiß“ oder „Heute ist die Sonne aufgegangen“ wird mittels Induktion geschlossen „Alle Schwäne sind weiß“ oder „Morgen wird die Sonne aufgehen“. Wie jedoch schon Hume5 gezeigt hat, ist unser Vertrauen in Induktion „blinder Glaube“, der „keinerlei rationale Rechtfertigung“ hat. Der Mensch komme nicht aus logischen Denkoperationen, sondern aus Gewohnheit dazu, aus den bisherigen Erfahrungen auf die Zukunft zu schließen. Auch sonst ist Wissenschaft ein menschliches, allzu menschliches, Unterfangen. Kuhn, der wahrscheinlich wichtigste Wissenschaftsphilosoph des 20. coque iphone xr Jahrhunderts, dem wir den nun allgemein verwendeten Begriff „Paradigmenwechsel“ verdanken, hat sehr deutlich heraus gearbeitet, dass wissenschaftliches Arbeiten immer nur im sozialen Kontext verstanden werden kann. Damit ist zum Einen gemeint, dass natürlich auch Wissenschaftler den ganz normalen menschlichen Eitelkeiten erliegen, wie Klammern an den eigenen Theorien trotz widersprechender Daten, „Freunderlwirtschaft“ beim peer review Prozess, politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme, sozialem Anpassungsdruck an das gerade herrschende „Paradigma“ usw., die auch alle schon sehr gut von der Sozialwissenschaft erforscht und dokumentiert sind. Zum Anderen sind Begriffe und Konzepte immer nur im Kontext des gerade gültigen Paradigmas verständlich, sie werden „inkommensurabel“ (unvergleichbar) zwischen verschiedenen Paradigmen. So meint z.B. der Begriff von „Masse“ für Einstein etwas anderes als für Newton. Es gibt damit auch keine geradlinige Annäherung an eine oft angenommene „objektive“ Wahrheit. „The Truth Is Out There“6 passt nur in Fernsehserien hinein, die sich mit dem Übersinnlichen beschäftigen. Viele Wissenschaftler, besonders wirklich führende, scheinen mir meist zu wissen, dass hinter jeder (provisorisch) beantworteten Frage mindestens zwei neue unbeantwortete lauern, und sind daher in ihren Aussagen oft vorsichtiger und relativierender. In der medialen Berichterstattung geht diese Differenzierung dann gerne vollends verloren, und wissenschaftliche Ergebnisse werden stark verkürzt und verzerrt, aber dafür mit einem impliziten oder expliziten absoluten Wahrheitsanspruch präsentiert. Spätestens hier bzw. coque iphone xs max dann in der Rezeption in der breiten Leserschaft, setzt in meinen Augen „Scientismus“ ein, d.h. ein blinder Glaube an eine angenommene Unfehlbarkeit des wissenschaftlichen Prozesses und daher an dessen Ergebnisse, ohne im Stande zu sein, diese auch nur irgendwie überprüfen zu können oder zu wollen. Dafür verteidigen die „Gläubigen“ ihre Ansichten mit geradezu „religiösem“ Eifer. dogmatic Vielleicht wird damit auch klarer, worauf ich hinaus will. Es geht mir nicht im Mindesten darum, Wissenschaft oder wissenschaftliche Ergebnisse schlecht zu machen, ganz im Gegenteil. Es geht mir vielmehr darum, darauf hinzuweisen, dass auch in diesem Kontext die Falle des Dogmatismus lauert, keine Spur anders als im religiösen oder sonstigen Lebensbereichen. Und ich denke, es geht einem säkularen Buddhismus darum, Dogmen aller Art – nicht nur buddhistische – aufzuspüren und letztlich zu überwinden, selbst wenn man das vielleicht nie vollends schaffen wird. Und zwar geht es deswegen darum, weil einem das Hängen an jedweden Konzepten, so sehr das auch ein trügerisches Gefühl von Sicherheit vermittelt, den Blick auf die vollkommene Bodenlosigkeit und Fülle des Daseins verstellt und daher zu einem den Gegebenheiten unangepassten Verhalten führt. Das Gegenmittel für Dogmatismus ist Pragmatismus, in der alltäglichen wie der philosophischen Bedeutung des Wortes, sich also mehr mit der Frage „was tun?“ zu beschäftigen und dann zu handeln, als darüber zu streiten, wie etwas ist oder nicht ist. Das wird sicher noch einmal Thema für einen anderen Beitrag, denn säkularer Buddhismus ließe sich für mich auch als „pragmatischer Buddhismus“ oder überhaupt nur als „praktischer Pragmatismus“ charakterisieren. Jedenfalls ist aber als Wissenschaftsanhänger auf die Religionen hin zu hauen und sich über deren Dogmen zu mokieren wie im Glashaus zu sitzen und mit Steinen zu werfen. Noch dazu verkennen die Kritiker gern den Zweck der Religionen vollkommen: Natürlich sind alle Anwandlungen von Religionen, Welterklärungsmodelle liefern zu wollen, unzeitgemäß und überholt, das macht die Wissenschaft einfach besser. Solange es immer noch Buchstabengläubige gibt, die zum Beispiel Dinge glauben, wie dass die Erde in sechs Tagen erschaffen wurde und jetzt ungefähr 6000 Jahre alt ist, dann stehe ich voll auf der Seite der Religionskritiker. Angesichts der erschreckend starken Buchstabengläubigkeit in manchen Ländern und Regionen der Welt tut Aufklärung immer noch dringend Not. Beiden Seiten würde ich jedoch sagen, dass das eigentlich vollkommen am Thema vorbei geht. Von einer ganzen Reihe von sozialen Funktionen einmal ganz abgesehen, wie sie sogar der Atheist de Botton7 seinen „Glaubensgenossen“ empfiehlt, versuchen Religionen aller Couleurs in meinen Augen vor allem eines zu vermitteln: den Ausbruch aus der Selbstzentriertheit und die Ausrichtung auf ein größeres Ganzes. Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob das ein lohnendes Ziel ist. vente de coque iphone Für mich ist es das Ziel der Ziele, weil so viele der menschlichen Probleme, im Großen wie im Kleinen, aus unserer Selbstzentriertheit her rühren. Metzinger8 folgend würde ich dies als den spirituellen Kern von Religionen sehen. Alles andere darum herum könnte man nur als Pädagogik betrachten, die versucht, den Menschen dieses Ziel zu vermitteln. coque iphone 7 Je nach Schule variiert diese stark, manche setzen mehr auf (allegorische) G’schichtln, wie man im Österreichischen sagen würde, andere versuchen’s mit (eiserner) Disziplin, einige mit Auswendiglernen, andere mit Verstehen. Die Methoden sind für verschiedene Menschen unterschiedlich gut geeignet, und selbstverständlich dauernd einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, manche mag ich mehr, manche weniger. Aber egal welche Methode, sie selbst ist nicht der Kern. Und so gute Angriffsflächen sie auch darstellen, auch die sich um Methoden herum bildenden Institutionen mit ihrer Tendenz, sich nur noch mit sich selbst und mit ihrem Erhalt zu beschäftigen, und (in Winton Higgins Worten) letztlich Politik mit anderen Mitteln fort zu setzen, sind nicht der Kern. coque iphone 2019 Mir gefällt das Attribut „senil“ gut, das Taylor9 allen Religionen gegeben hat. Das ruft bei mir das Bild von einem senilen alten Mann hervor, der manchmal vollkommen wirres Zeug redet, manchmal donnernd den Patriarchen heraus kehrt, manchmal junge Mädchen und Buben begrapscht, sicher nicht mehr auf der Höhe der Pädagogik ist, dem aber dennoch ab und zu Perlen der Lebensweisheit auskommen. Diese quasi mit der Arroganz der Jugend, die auf der Blindheit den eigenen Dogmen gegenüber beruht, einfach weg zu werfen, erscheint mir als großer Verlust.

  1. Richard Dawkins, Der Gotteswahn, dt. 2011
  2. Christopher Hitchens: Der Herr ist kein Hirte: Wie Religion die Welt vergiftet, dt. 2009
  3. Sam Harris: Das Ende des Glaubens: Religion, Terror, und das Licht der Vernunft, dt. 2007
  4. Edmund Gettier: Is Justified True Belief Knowledge? In Analysis, 1963
  5. David Hume: A Treatise of Human Nature, 1739-40
  6. The X-Files, z.B. https://en.wikipedia.org/wiki/The_X-Files
  7. Alain de Botton: Religion for Atheists, 2012
  8. Thomas Metzinger: Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit, 2013
  9. Charles Taylor, A Secular Age, 2007

Kolloquium über säkularen Buddhismus

Im März 2013 fand im Barre Center for Buddhist Studies in Massachusetts, USA, ein „Secular Buddhism colloquium“ statt. Winton Higgins, ein australischer Teilnehmer, hat uns einen Bericht zur Verfügung gestellt, dessen Hauptinhalte wir hier wiedergeben wollen. Den Anstoß zu der intensiv vorbereiteten Veranstaltung gaben Andrew Olendzki, der Direktor des einladenden Instituts, und Stephen Batchelor. 32 eingeladene Personen, 23 Männer und 9 Frauen, nahmen teil. Darunter waren Lehrende in Gemeinschaften buddhistischer Praxis, WissenschaftlerInnen in den Bereichen religiöse Studien, Philosophie und Neurowissenschaften, sowie PsychotherapeutInnen. coque iphone xr Worum ging es? Die „Idee“ hinter dem Meeting wurde so formuliert: Der Ausdruck ‚Säkulärer Buddhismus‘ beschreibt eine Tendenz, die Religiosität des Buddhismus zugunsten der praktischen Anwendbarkeit buddhistischer Ideen und Konzepte im Kontext der Moderne in den Hintergrund treten zu lassen. Es geht um skeptische Betrachtung von traditionellen Doktrinen und Modellen von Autorität, die für die Praxis des Dharma in der heutigen zunehmend säkularisierten Welt wenig Bedeutung haben. Der Untertitel „die Nikayas neu denken“ sollte den Bezug zu den ältesten Lehren im Pali-Kanon deutlich machen. Gedacht war die Veranstaltung als „think-tank“ zur inhaltlichen Abgrenzung verschiedener Zugänge, und so lief sie auch ab, nicht als Gründungskongress einer säkular-buddhistischen Bewegung. Die Tagung fand in warmer und großzügiger Atmosphäre statt, gut organisiert wie ein wissenschaftlicher Kongress, aber ohne das übliches Beiwerk wie Ego-Dominanz, Klüngelbildung, Sauftouren und Bettgeschichten. coque iphone xs max Unterschiedliche Erfahrungen, Ausgangspunkte und Erwartungen wurden in kreativer Weise untersucht. Aus der Sicht des Berichterstatters gab es vier Hauptthemen: Gender/Geschlecht: das Geschlechterverhältnis unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern war unbefriedigend. Es scheint tatsächlich (noch) wenige Frauen außerhalb ‚traditioneller‘ buddhistischer Gruppen zu geben. Im Verlauf der Diskussionen dominierten Männer oft unreflektiert; hier ist in Zukunft mehr Aufmerksamkeit seitens der Moderatoren gefordert. Alle Buddhistinnen und Buddhisten sollten feministisch denken und entsprechend miteinander umgehen. coque iphone xr Säkularität-Religiosität: das von Stephen Batchelor und anderen entwickelte Konzept einer facettenreichen, diesseitigen Säkularität wurde außerhalb der USA entwickelt; Amerikaner haben historisch einen eigenen Zugang zu dem Thema. coque iphone x In den USA bedeutet „säkular“ üblicherweise „anti-religiös“; diese semantischen Unterschiede wurden intensiv diskutiert. Dass es ganz andere Sichtweisen gibt, erwähnt der Berichterstatter am Beispiel Neuseelands, wo es seit langem ein starkes säkulares Christentum gebe. Szientismus vs. Interpretation: NeurowissenschaftlerInnen präsentierten unter anderem Ergebnisse von klinischen Untersuchungen an meditierenden Personen. Es wurde diskutiert, was die gefundenen Zusammenhänge bedeuten. Es besteht das Risiko, den menschlichen Geist auf beobachtbare und quantifizierbare neuronale Funktionen zu reduzieren, und den Dharma auf eine Übung zur Verbesserung ihrer Funktionstüchtigkeit. Es geht darum, die Bedeutung der Interpretation der Bewusstseinserfahrungen und Geisteszustände jedes Menschen in seiner einzigartigen existentiellen Situation herauszuarbeiten. Wissenschaft selbst wird in diesem Zusammenhang als eine Form von Kultur gesehen, die aus ihrem historischen Kontext verstanden werden soll. Abgrenzung von Dharma und Psychotherapie: Achtsamkeitspraxis ist heute in der westlichen Welt weit verbreitet, nicht zuletzt durch Psychotherapieformen, die darauf basieren. Diese hätten sich auf den Dharma berufen, aber gleichzeitig den darin ausdrücklich formulierten ethischen und gemeinschaftlichen Kontext eliminiert. Anstelle dessen wurde damit schon viel Geschäft gemacht, verpackt und verkauft als „evidenzbasierte“ therapeutische Effektivität. Die Grenze zwischen Dharma-Praxis und Psychotherapie ist keine klare Linie, sondern eher ein Graubereich. coque iphone xs max Dieser sollte weiter untersucht werden. In der klinischen Praxis muss herausgefunden werden, was am besten funktioniert, und gleichzeitig sollten wir die Integrität des Dharma anerkennen, der nicht Psychotherapie ist, sondern eine Art zu leben. Die Inhalte des Kolloquiums sollen als Buch herausgegeben und das gesamte Material mutltimedial verfügbar gemacht werden. Am Ende waren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig darin, dass die Veranstaltung in den formellen Sitzungen wie auch im informellen Austausch außerordentlich wertvoll gewesen sei und unbedingt wiederholt werden sollte. coque iphone pas cher

für Übersetzung und Auswahl der Inhalte: Evamaria, 19. 4.

Über das Loslassen
Ergänzung zu Martine Batchelors Text

Zu dem schönen Text von Martine Batchelor passt, so glaube ich, sehr gut ein Gedicht der amerikanischen Kabarettsängerin, Schauspielerin und Autorin Portia Nelson. Das Gedicht aus ihrem Buch „There’s a Hole in My Sidewalk: The Romance of Self-Discovery“ wurde in der Selbsthilfebewegung populär und ist auch in Sogyal Rinpoche´s „Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“ abgedruckt. AUTOBIOGRAFIE IN FÜNF KAPITELN Ich gehe die Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich falle hinein. Ich bin verloren … Ich bin ohne Hoffnung. Es ist nicht meine Schuld. Es dauert endlos, wieder herauszukommen. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich tue so, als sähe ich es nicht. Ich falle wieder hinein. Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein. Aber es ist nicht meine Schuld. Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich sehe es. Ich falle immer noch hinein … aus Gewohnheit. Meine Augen sind offen. Ich weiß, wo ich bin. Es ist meine Schuld. Ich komme sofort heraus. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich gehe darum herum. Ich gehe eine andere Straße.

Menschen sind nicht illegal

Menschen sind nicht illegal

Warum äußern sich Buddhisten kaum jemals zu gesellschaftspolitischen Themen? wurde der Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft kürzlich in einem Interview gefragt. Gute Frage, dachte ich mir, als ich heute demonstrieren ging. Seit bald zwei Monaten sitzen in der großen, kalten Wiener Votivkirche knapp 50 Flüchtlinge und Asylwerber, viele von ihnen im Hungerstreik. Es geht ihnen für sich selbst und für Menschen in ähnlichen Situationen darum, vor Abschiebung sicher zu sein, besser untergebracht zu werden als bisher und mehr Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen. Für all das gibt es Gesetze in Österreich, die allerdings von Betroffenen und vielen Fachleuten kritisiert werden. Politiker aller Couleurs bis zum Bundespräsidenten haben die Männer in der Kirche unter Hinweis auf die Gesetzeslage mit unterschiedlichem Nachdruck wissen lassen, ihre Aktion sei sinnlos und wirkungslos. Jedenfalls hat sie fürs erste dazu geführt, dass die Anliegen von Flüchtlingen und Asylwerberinnen in der Öffentlichkeit stärker präsent sind und mehr diskutiert werden. Die paar tausend friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten aller Altersgruppen und Hautfarben, mit denen ich heute unter Slogans wie no border – no nation – no deportation und kein Mensch ist illegal durch Wien gezogen bin, vertreten die Meinung, dass neue Gesetze gemacht und alte geändert werden können. De facto geschieht das in den verschiedensten Bereichen laufend in Österreich, in Europa, in allen Ländern; es hängt nur von der Stärke der Gruppe ab, die sich dafür einsetzt. Und dabei geht es nach dem berühmten Satz von Margaret Mead nicht in erster Linie um ihre Größe: Never doubt that a small group of thoughtful, committed citizens can change the world. Indeed, it is the only thing that ever has. Wir könnten einfach die Anliegen der Männer in der Votivkirche, die für zehntausende Menschen in ähnlichen Situationen sprechen oder schweigen, zu den unseren machen.

Keine Zukunft in einem Papageien-Ei
Das humanistische Herz des Buddhismus freilegen

Unter diesem leicht skurrilen Titel hat Stephen Batchelor vor drei Jahren einen Artikel veröffentlicht, in dem er nicht nur seine Einstellung zu Karma und Wiedergeburt darlegt, sondern auch, worum es ihm – jenseits dieser beiden umstrittenen Begriffe – als atheistischem Buddhisten geht. Sein Text hier in deutscher Übersetzung 1:

Pleated_Parrot
Fotonachweis: http://species.wikimedia.org/wiki/File:Pileated_Parrot.jpg

Kann ich ein Buddhist sein ohne daran zu glauben, ich könnte den Hirntod überleben, um in der Gebärmutter eines Schakals oder in einem Papageien-Ei wieder geboren zu werden? Kann ich ein Buddhist sein ohne an die Existenz einer Hölle zu glauben, wo ich bei lebendigem Leib in einem Menschenkörper mit Fischkopf für tausende Jahre geröstet werden könnte, bis ich meine Untaten abgebüßt hätte? Kann ich ein Buddhist sein und bezweifeln, dass Buddhas Körperhaare dunkelblau gefärbt seien wie indische Augensalbe und im Uhrzeigersinn in Kreisen wüchsen? Kann ich ein Buddhist sein und nicht daran glauben, dass Meister der Meditation ihre Körper vervielfachen, durch Wände und Berge gehen, durch die Erde wie durch Wasser tauchen, wie ein Vogel durch den Raum fliegen, und Mond und Sonne mit ihren Handflächen berühren können? Diese Beispiele sind nicht einem esoterischen tibetischen Text entnommen. Man findet sie in den frühesten Lehrreden des Buddha, wie sie im nüchternen Pali-Kanon aufgezeichnet sind. In der Einschätzung vieler Buddhisten würde eine solche Leugnung dazu führen, dass ich nicht mehr als Mitglied unter den Gläubigen anerkannt würde. Sie würden es verwirrend, wenn nicht verletzend finden, dass ich überhaupt auf die Idee käme, mich als Buddhisten zu sehen. Es wäre vergleichbar damit, dass jemand die Existenz Gottes leugnet und sich gleichzeitig als praktizierenden Muslim bezeichnet. Für die Frommen ist der Buddhismus eine Religion wie alle anderen, mit seinem eigenen Anteil von merkwürdigen und wundervollen Dogmen. Da ich nur ein westlicher Konvertit bin, ist es sicher nicht meine Sache, Wahrheiten in Frage zu stellen, die von Leuten, die viel weiser und versierter sind als ich, immer wieder bestätigt worden sind. Anstatt dessen sollte ich den Dünkel meines Ego ablegen und demütig anerkennen, dass ich einer weit größeren Bestimmung teilhaftig bin, die sich über Millionen von Lebenszyklen in Myriaden von Gefilden erstreckt, im Vergleich mit denen unser kurzer Aufenthalt auf diesem dürftigen Planeten zur Bedeutungslosigkeit verblasst. Aus einer traditionellen Perspektive ist es nicht nur irrig, sondern auch unmoralisch, eine solche Weltsicht abzulehnen. Zu glauben, dass es keine Wiedergeburt und kein Gesetz moralischer Kausalität gibt, ist ein Akt des Bösen, der in diesem Leben zu Verwirrung und Seelenqual führen wird und zu Höllenfeuer in der kommenden Welt. Dafür braucht man nichts zu sagen oder zu tun; dafür ist nur nötig, sich im privaten Denken eine unrichtige Meinung zu bilden. Das ist ein Gedankenverbrechen und als solches in den klassischen Texten neben Mord, Raub und Vergewaltigung aufgezählt. Tatsächlich wird „falsche Sichtweise“ der schwerwiegendste von allen Akten des Bösen genannt, da sie den Standpunkt festlegt, von dem alle anderen Untaten ausgehen. Wenn ich nicht an potentiell zahllose zukünftige Lebenszyklen glaube, in denen die unerbittlichen Gesetze des Karma regieren, was würde mich davon abhalten – so wird argumentiert – , jedem Verlangen nach Lüge und Diebstahl nachzugeben und jeden Impuls von Ärger in einem Gewaltakt auszuleben? Welches denkbare Motiv hätte ich, Gutes zu tun, wenn mich nach dem Tod nichts als Vergessen erwartet? Buddhisten, die sich um mein Wohlergehen Sorgen machen, stellen mir oft solche Fragen. Wie andere Religionen lehrt der Buddhismus eine mechanische Moral von Strafe und Belohnung, deren Früchte vor allem nach dem Tod geerntet werden. Wenn du Gutes tust, könntest du in einem der zahlreichen Himmel wieder geboren werden; wenn du Böses tust, wirst du für eine der vielen Höllen vorgesehen. Eine solche Gerechtigkeit wird nicht von einem allwissenden und allmächtigen Gott garantiert, sondern von einem unpersönlichen und unerbittlichen moralischen Gesetz, das dem Aufbau der Wirklichkeit direkt immanent ist. Glücklicherweise dauern buddhistische Höllen eher Jahrtausende lang als die Ewigkeit; unglücklicherweise trifft das auch für die Himmel zu. Das Ziel ist es daher, den Runden des Wiedergeborenwerdens und Sterbens überhaupt zu entkommen, indem man die Begierde stoppt, die aus Unwissenheit entsteht und den Kreislauf der kosmischen Misere am Laufen hält. Anstatt sich darum zu bemühen, die Bedingungen hier auf der Erde zu verbessern, ist das beste an Liebe und Mitgefühl, was man tun kann, anderen dabei zu helfen, aus dem Kreislauf auszusteigen. In der erhabenen Ordnung der Dinge ist das Schicksal dieser Welt von relativ geringer Bedeutung. Eine deutliche Schwäche dieser Metaphysik ist, dass sie so durchsichtig und simpel anthropomorph ist. Das, was angerufen wird, um zu erklären, was jenseits der Reichweite menschlicher Erfahrung liegt, stellt sich als ein verzerrtes Spiegelbild der menschlichen Verfasstheit selbst heraus. Denn was sind die Göttern anderes als langlebige, dünkelhafte Menschen, die sich der Art von Utopie erfreuen, nach der sich Träumer und Kinder sehnen? Was sind die Titanen, wenn nicht aufgeblasenen, ehrgeizige Leute, die den Erfolg anderer nicht ertragen können, aber zu schwach sind, sie zu überwinden? Was sind die Peta (Geister) anderes als Karikaturen menschlicher Wesen, die von unstillbaren Begierden gequält werden? Was sind Höllenwesen, wenn nicht Leute, die von schrecklichen Schmerzen geplagt werden? Der einzige Bereich, der seinen menschlichen Ursprung nicht leugnet, ist der der Tiere, gleichzeitig – was nicht überrascht – der einzige, von dem wir direkte Erfahrungen haben. Was das Gesetz moralischer Kausalität („Karma“) betrifft: das ist menschliche Gerechtigkeit, als kosmische Gerechtigkeit verkleidet, die dem unpersönlichen Wirken der natürlichen Welt zugeschrieben wird. Aber die natürliche Welt ist nicht fairer oder gerechter als sie grausam ist. „Fairness“, „Gerechtigkeit“ und „Grausamkeit“ sind menschliche Attribute, und wir neigen dazu, sie auf nicht-menschliche Wirklichkeiten zu projizieren. Wenn der Löwe seine Zähne ins Genick einer Antilope schlägt, begeht er nicht eine grausame und böse Tat, für die er in einem nächsten Leben bestraft werden wird, genauso wenig wie die Antilope ihre gerechte Strafe bekommt für etwas Garstiges, das sie in einer früheren Existenz getan hat. Aber so würde klassischer Buddhismus das verstehen. Natürlich ist es tragisch, dass eine begabte junge Musikerin einen langsamen, quälenden Tod an Multipler Sklerose sterben muss, genauso wie es anstößig ist, dass ein korrupter, mörderischer Politiker ein langes und gesundes Leben im Luxus führen kann. Aber diese Tatsachen als die Konsequenzen von Handlungen zu erklären, die in früheren Leben verübt wurden und sich damit zu beschwichtigen, dass es nach dem Tod Gerechtigkeit geben werde, bedeutet, sich an Tröstungen zu klammern. Solange jemand an einer solchen Metaphysik festhält, desto weniger wird er geneigt sein, sich der Suche nach einem Heilmittel für Multiple Sklerose zu widmen oder eine Kampagne für Transparenz und Rechenschaftspflichten in der Politik zu führen: die einzigen Dinge, die tatsächlich etwas bewirken könnten. Mein erster tibetischer Lehrer Geshé Dargyey sagte uns einmal, wir würden mehr „Meriten“ (d.h. karmische Verdienste) erwerben, wenn wir ein Kloster und nicht ein Krankenhaus bauten. Er hatte nichts gegen Krankenhäuser – zweifellos hätte er ihren Bau begrüßt und die Arbeit von Ärzten und Krankenschwestern gelobt. Aber im großen Ganzen kann ein Krankenhaus den unvermeidlichen Zusammenbruch des Körpers und den Tod höchstens um ein paar Jahre hinauszögern und anderen dabei eine gute Gelegenheit bieten, Mitgefühl zu üben. Weit besser sei es daher, ein Kloster zu stiften und die Ausbildung von Mönchen zu fördern, die lehren können, wie man nicht mehr wieder geboren wird; und das gehe das Problem an der Wurzel an , anstelle der Heilung des Krebs im Körper, der in jedem Fall sterben wird. „Kein Kopf“, erinnere ich mich Geshé-la augenzwinkernd sagen gehört zu haben, „dann kein Kopfschmerz“. Vom Standpunkt orthodoxer buddhistischer Doktrin ist das ein völlig vernünftiges und stichhaltiges Argument. Was seine Fähigkeit betrifft, zu erklären, warum die Welt so ist, wie sie ist, unterscheidet sich der Glaube an Wiedergeburt und Karma nicht vom Glauben an Gott. Beide fungieren als Mittel, dem, was sonst sinnlos und unfair erscheint, Sinn zu verleihen. Wenn ein christliches Paar ein hirngeschädigtes Kind bekommt, ist das der unerforschliche Wille Gottes, während es für ein buddhistisches Paar die Folge der Taten des Kindes in einem früheren Leben ist. Beide Erklärungen sind gleichermaßen unbeweisbar wie unwiderlegbar. Aber beide geben der Tragödie einen Sinn und platzieren sie in einem wohldefinierten Rahmen moralischer Verpflichtung und Verantwortung. Vielleicht ist das ein Grund, warum solche Überzeugungen von der Evolution ausgewählt wurden und so tief in der menschlichen Psyche verwurzelt sind. Wäre das Leben ohne sie für vernunftbegabte Wesen nicht zu verwirrend und schmerzlich, als dass man es ertragen könnte? Als buddhistischer Atheist lehne ich die Lehren von Karma und Wiedergeburt ab, so wie ein christlicher Atheist den Glauben an einen transzendenten Gott ablehnen würde. Aber ich tue das als Buddhist, als einer, der sich die Leitlinien von Werten, Gedanken und Praktiken zu eigen gemacht hat, die Siddhattha Gotama vor mehr als zweitausend Jahren formuliert hat. Ich lehne Karma und Wiedergeburt nicht nur deshalb ab, weil ich sie für unverständlich halte, sondern weil ich glaube, dass sie das, was Buddha sagen wollte, verschleiern und entstellen.

Menschen sind nicht illegal II

Die Männer, die über zwei Monate lang in den Wiener Votivkirche kampierend auf die prekäre Lage von Asylwerberinnen und Asylwerbern in Österreich hingewiesen haben, sind in ein anderes Quartier umgezogen; ihre „Fälle“ sollen im einzelnen geprüft und entschieden werden, wie es heißt. coque iphone xr coque iphone pas cher coque iphone 2019 coque iphone x coque iphone xr coque iphone 8 coque iphone 2019 soldes soldes coque iphone coque iphone soldes soldes coque iphone pas cher coque iphone 6 Sie und die Menschen, die sie unterstützt haben, haben einiges erreicht. coque iphone coque iphone soldes coque iphone 2019 coque iphone 6 acheter coque iphone en ligne coque iphone 6 soldes coque iphone pas cher coque iphone x coque iphone coque iphone solde coque iphone soldes Der öffentliche Diskurs ist vorsichtiger und differenzierter geworden: Flüchtlinge sind oft menschenunwürdig untergebracht, und es ist ihnen faktisch unmöglich, durch eigene Arbeit Geld zu verdienen; diese und andere Schwachstellen in der österreichischen Rechtslage wurden sachlicher als bisher diskutiert. coque iphone x coque iphone coque iphone coque iphone 8 coque iphone pas cher coque iphone coque iphone coqueiphone coque iphone 2019 coque iphone 2019 soldes soldes coque iphone acheter coque iphone en ligne soldes coque iphone 2019 soldes coque iphone pas cher Manche Politiker hätten bei einzelnen Problemen im Umgang mit den Fremden nicht wie Automaten, sondern wie Menschen agiert, und sie sollten weiterhin dazu stehen, schreibt eine Zeitung. coque iphone 6 coqueiphone coque iphone coque iphone 8 coque iphone 8 coque iphone soldes coque iphone 7 In Veröffentlichungen des Instituts für Menschenrechte wird der Protest zum Anlass für eine differenzierte, kritische Auseinandersetzung mit dem österreichischen Fremdenrecht genommen. coque iphone 7 coque iphone en ligne coque iphone coque iphone 6 soldes coque iphone coque iphone pas cher coque iphone xs max coque iphone 6 1 Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. coque iphone 8 coque iphone 2019 pas cher coque iphone xs max soldes coque iphone coque iphone outlet coque iphone coque iphone 6 Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollten einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen. Die ersten Sätze der UNO-Menschenrechtskonvention stimmen mit buddhistischen Werten überein, ob saekular oder nicht. coque iphone 2019 coque iphone 2019 coque iphone 8 coque iphone coque iphone 6 soldes coque iphone soldes coque iphone acheter coque iphone Buddha ermutigt uns, in Achtsamkeit und Freundlichkeit den „achtfachen Pfad“ zu gehen und so gedeihliches Zusammenleben aller Lebewesen zu fördern. coque iphone 7 acheter coque iphone en ligne coque iphone x coque iphone soldes coque iphone coque iphone 2019 coque iphone pas cher acheter coque iphone coque iphone pas cher coque iphone pas cher coque iphone 8 Buddhistinnen und Buddhisten in aller Welt arbeiten daran, u.a. soldes coque iphone coque iphone coque iphone xr coque iphone 6 coque iphone pas cher coque iphone 6 coque iphone xs max coque iphone 8 coque iphone im International Network of Engaged Buddhists, das sich seit dem Jahr 1989 für sozial engagierten Buddhismus einsetzt und versucht, die Praxis von Weisheit und Mitgefühl mit konkreten sozialen Aktionen in Bereichen wie Friedensarbeit, Umwelt und eben auch Menschenrechte zu verbinden. coque iphone 8 coque iphone 7 coque iphone en ligne coque iphone solde vente de coque iphone soldes coque iphone acheter coque iphone en ligne coque iphone coque iphone 6 coque iphone 2 Als engagierte Buddhistinnen und Buddhisten grüßen wir die knapp fünfzig Pakistanis, die nun von einem Wiener Kloster aus über ihre eigene Zukunft und die von Schicksalsgenossinnen und -genossen verhandeln und wünschen ihnen und ihren Gesprächspartnern guten Mut und gute Ergebnisse.

Das Elend von Lampedusa

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Wenn ich Bilder von Leichen sehe, die im Wasser treiben, wenn ich höre, dass mehrere hundert Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen im Mittelmeer ertrunken sind, wenn ich lese, dass daraufhin Europas Grenzen noch dichter gemacht werden, spüre ich den Impuls, all das gar nicht wissen zu wollen, und fühle mich ratlos und hilflos.

Ithaka

Brichst du auf gen Ithaka, wünsch’ dir eine lange Fahrt, voller Abenteuer und Erkenntnisse. Die Lästrygonen und Zyklopen, den zornigen Poseidon fürchte nicht, solcherlei wirst du auf deiner Fahrt nie finden, wenn dein Denken hochgespannt, wenn edle Regung deinen Geist und Körper anrührt. Den Lästrygonen und Zyklopen, dem wütenden Poseidon wirst du nicht begegnen, falls du sie nicht in deiner Seele mit dir trägst, falls deine Seele sie nicht vor dir aufbaut. Wünsch dir eine lange Fahrt. Der Sommer Morgen möchten viele sein, da du, mit welcher Freude und Zufriedenheit! in nie zuvor gesehene Häfen einfährst; halte ein bei Handelsplätzen der Phönizier und erwirb die schönen Waren, Perlmutt und Korallen, Bernstein, Ebenholz und erregende Essenzen aller Art, so reichlich du vermagst, erregende Essenzen; besuche viele Städte in Ägypten, damit du von den Eingeborenen lernst und wieder lernst. Immer halte Ithaka im Sinn. Dort anzukommen, ist dir vorbestimmt. Doch beeile nur nicht deine Reise. Besser ist, sie dauere viele Jahre; und alt geworden lege auf der Insel an, reich an dem, was du auf deiner Fahrt gewannst, und hoffe nicht, dass Ithaka dir Reichtum gäbe. Ithaka gab dir die schöne Reise. Du wärest ohne es nicht auf Fahrt gegangen. Nun hat es dir nicht mehr zu geben. Auch wenn es sich dir ärmlich zeigt, Ithaka betrog dich nicht. So weise, wie du wurdest, und in solchem Maß erfahren, wirst du ohnedies verstanden haben, was die Ithakas bedeuten.

Konstantinos Kavafis (1863-1933) übersetzt von Wolfgang Josing und Doris Gundert

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Ich habe dieses Gedicht einmal gelesen bei der Suche nach etwas Besonderem für jemanden, der Geburtstag hatte, und ich habe eine Antwort gefunden auf die Frage, warum ich mich immer wieder an den Lästrygonen und Zyklopen gestoßen habe: weil ich sie in mir trage, weil ich sie gegen mich stelle. Dann dachte ich zu meiner Verwunderung, dass ich vielleicht nicht versuchen hätte sollen, sie zu vermeiden, da sie sowieso immer mit mir sind. Ich hätte was anderes machen sollen…vielleicht sie treffen, wie Odysseus schließlich, und Niemand werden (meine Vorstellung von mir abbauen).

Nelson Mandela

slide_328438_3192341_free„Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind. Unsere tiefste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, das uns erschreckt, nicht unsere Dunkelheit. Es ist nichts Erleuchtendes daran, sich so klein zu machen, dass andere um uns herum sich nicht sicher fühlen. Wir sind alle bestimmt zu leuchten, wie es die Kinder tun. Und wenn wir unser eigenes Licht erscheinen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,

Wie ändern wir die Welt?
über Erich Fromms „Haben oder Sein“

Im Jahr 1968, als in Westeuropa so viele junge Leute den Aufstand probten, war ich 20 Jahre alt und bald mittendrin im politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Geschehen, in dem und durch das wir alle Werte auf den Kopf zu stellen meinten. Wir waren voller Widerspruchsgeist gegenüber überkommenen Strukturen in Kindererziehung, Studium, Gesellschaft und Politik, voller Energie davon überzeugt, dass es uns gelingen würde, den zutiefst ungerechten, nur an Profit orientierten Kapitalismus über den Haufen zu rennen und basisdemokratische, solidarische Gemeinwesen an seiner Stelle zu schaffen. Heute erinnere ich mich, wie wenig wir damals über unser eigenes Verwurzeltsein in den autoritären Strukturen nachdachten, aus denen wir gekommen waren. Bei allem Enthusiasmus gingen wir grob, unaufmerksam und oft gewaltsam mit uns selbst und miteinander um. Wir urteilten schnell und hart, und meinten immer genau zu wissen, wer richtige und wer falsche Meinungen vertrat. Unter den linken Klassikern und Gegenwartsautoren, die wir lasen, nahm Erich Fromm eine Sonderstellung ein. Er polarisierte nicht, sondern schuf positive Utopien, von denen wir träumen konnten. Als ich vor kurzem wieder begann, mich mit seinen Texten zu beschäftigen, konnte ich daran anknüpfen; ich möchte durch diesen Beitrag deutlich machen, was er mit säkularem Buddhismus zu tun hat. erich fromm Fromm kam im Jahr 1900 als Sohn einer orthodox jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin zur Welt. Er studierte Rechtswissenschaften und Soziologie und wurde Mitarbeiter am renommierten Institut für Sozialforschung. Als junger Mann studierte er den Talmud, später absolvierte er eine Psychoanalyse und ließ sich zum Analytiker ausbilden. Die praktische Ausübung seiner Religion stellte er ein, nachdem er nähere Bekanntschaft mit den Schriften Sigmund Freuds und Karl Marx‘ gemacht hatte. Er emigrierte im Jahr 1934 in die USA und wurde später US-amerikanischer Staatsbürger. Ab 1950 lehrte er an der Universität von Mexiko und engagierte sich politisch in der amerikanischen Friedensbewegung. In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts kehrte er nach Europa zurück und lebte in der Schweiz, wo er sich vor allem seiner schriftstellerischen Arbeit widmete. Er starb kurz vor seinem 80. Geburtstag. Fromm hat zahlreiche Bücher verfasst, die international ein breites Publikum fanden, vor allem unter jungen Linken 1. Erich Fromm dachte mit seinem eigenen Kopf, und er hat vor allem in jüngeren Jahren Konflikte nicht gescheut. Vom „Institut für Sozialforschung“, zu dessen wichtigsten Mitarbeitern er gezählt hatte, trennte er sich im Jahr 1939 wegen inhaltlicher Differenzen. Sigmund Freud, mit dem er sich intensiv auseinandergesetzt hat, kritisierte er u.a. wegen seines Kulturpessimismus und der Prädominanz der Sexualität in seinen Schriften; das führte dazu, dass Fromm unter Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern, die eng mit Freud verbunden waren, ein Außenseiter blieb. Der Erforschung der jüdischen und christlichen Geisteswelt auf unorthodoxe Weise widmete er viel Aufmerksamkeit. Sein Weltbild und seine Lebenseinstellung erarbeitete er sich aus Teilen jüdischer und christlicher Tradition, Elementen der Frühschriften von Karl Marx, den theoretischen Erkenntnissen und der praktischen Anwendung von empirischer Sozialforschung und Psychoanalyse, aus buddhistischem Gedankengut und meditativer Praxis. Er hat lebenslang einen demokratischen, sozialistischen Humanismus vertreten. Ein erstes Mal intensiv mit dem Buddhismus auseinandergesetzt hat sich Erich Fromm in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts 2. In seiner Theoriebildung und seiner persönlichen Praxis haben später seine Begegnungen mit Nyanaponika deutliche Spuren hinterlassen. Nyanaponika, 1901 in Deutschland unter dem Namen Siegmund Feniger geboren, war 57 Jahre lang buddhistischer Mönch und verbrachte einen großen Teil seines Lebens in einer Einsiedelei auf Sri Lanka. Er verfasste zahlreiche Schriften über Buddhismus der Theravada-Schule, am bekanntesten wurde sein Buch „Geistestraining durch Achtsamkeit“. 3 Erich Fromm, der Nyanaponika während dessen Reisen in die Schweiz mehrmals getroffen hat, schätzte dieses Buch und seinen Autor sehr und hat bei ihm Anleitung für eigene Meditationspraxis gefunden. Er sagte von ihm, er sei …ein Gelehrter, ein Lehrer, ein Helfer – kein Guru, kein Führer und kein Verführer, …der eine Lebensform lehrte und praktizierte, die an die besten Kräfte des heutigen ernüchterten, kritischen und dennoch sehnsüchtigen Menschen appelliert: an Rationalität, Unabhängigkeit, das Aufgeben von Illusionen, Verzicht auf Autoritäten, denen man sich unterwirft, und…das Sehen der Dinge entsprechend ihrer Realität 4. Etwa zur selben Zeit, als Fromm diese Würdigung verfasste, erschien: Haben oder Sein. 5. Als ich es vor kurzem wieder gelesen habe, war ich berührt von seiner Aktualität nach fast 40 Jahren. Mit dieser so prägnanten wie umfassenden Formulierung präsentiert Fromm hier seine Sicht der Menschen und der Gesellschaft, ihres Bedarfs nach und ihrer Möglichkeiten für tief greifende Veränderungen. Buddhistisches Gedankengut ist in keinem seiner Werke so präsent wie in diesem. Das Buch beginnt mit nüchterner Analyse: Das Industriezeitalter habe seine Versprechen nicht eingelöst. Glück entstehe nicht aus der Befriedigung aller Wünsche. Unsere Gedanken und Gefühle würden durch Massenmedien beherrscht. Wirtschaftlicher Fortschritt bleibe auf reiche Nationen beschränkt, technischer Fortschritt bringe unabsehbare ökologische Gefahren und die Bedrohung durch einen Atomkrieg. Eroberungsdrang und Feindseligkeit hätten die Menschen blind gemacht für die Tatsache, dass die Welt endlich sei, und zum ersten Mal in der Geschichte hänge nun das physische Überleben der Menschheit von einer radikalen seelischen Veränderung der Menschen ab. Er schreibt: Wir sind eine Gesellschaft notorisch unglücklicher Menschen: einsam, von Ängsten gequält, deprimiert, destruktiv, abhängig – jene Menschen, die froh sind, wenn es ihnen gelingt, jene Zeit „totzuschlagen“, die sie ständig einzusparen versuchen. Im weiteren Verlauf des Buches geht es um die detaillierte Auseinandersetzung mit den beiden, wie Fromm schreibt, grundlegend verschiedenen Formen menschlichen Erlebens, des Habens und des Seins. Dem Zustand des Habens entspräche Konsumieren in allen Lebensbereichen, das vermindere vordergründig menschliche Angst, zwinge aber auch dazu, immer mehr zu konsumieren, weil die Befriedigung durch materielle Güter bald nachlasse. Haben bedeute das Festhalten an Dingen, wozu wir durch eine marketing-orientierte Umgebung, in der es um den vordergründigen schönen Schein gehe, erzogen würden. Psychologisch gesehen bedeute die Orientierung am „Markt“, dass es nicht um das eigene Selbst gehe – also um die tatsächlichen Fähigkeiten, Gefühle und Gedanken, sondern um das, was sich verkaufen lasse, was ankomme. Sein aber bedeute, das wirkliche Bild vom Selbst, von anderen Menschen und der Umwelt wahrzunehmen, gelten zu lassen und zu pflegen. Dieses Bild ändere sich laufend, und Erlebnisse von Angst, Schwäche und Leid wären Teil davon. Die Vorstellung eines „Ich“, das man auf Dauer besitzen könne, beruhe auf der Illusion einer unvergänglichen, unzerstörbaren Substanz, die Menschen aufrecht erhalten wollten, weil der Gedanke ständigen Wandels schwer zu akzeptieren sei. Diese Illusion werde durch eine Kultur der Besitzorientierung, durch den Primat des Privateigentums in der gegenwärtigen Gesellschaft gestützt und genährt. Haben beziehe sich nicht nur auf Gegenstände, sondern ebenso auf Werte, Wissen und Überzeugungen. Eigen-tum entstehe dann nicht durch Entfaltung der eigenen Person, sondern durch unverarbeitete Aneignung äußerer Einflüsse; das Haben-Wollen trete an die Stelle des Sein-Wollens. Seine Grundaussagen belegt der umfassend gebildete Autor mit Zitaten aus vielen Quellen quer durch die Geistesgeschichte. Angesichts drohender psychischer, ökonomischer und ökologischer Katastrophen hofft er auf tief greifende charakterologische Veränderungen. Fromm schreibt: Ich bin überzeugt, dass sich der menschliche Charakter in der Tat ändern kann, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • Wir leiden und sind uns dessen bewusst
  • Wir haben die Ursache unseres Leidens erkannt
  • Wir sehen eine Möglichkeit, unser Leiden zu überwinden
  • Wir sehen ein, dass wir uns bestimmte Verhaltensnormen zu eigen machen und unsere gegenwärtige Lebenspraxis ändern müssen, um unser Leiden zu überwinden.

Diese vier Punkte entsprechen den Vier Edlen Wahrheiten, die den Kern der Lehre Buddhas über die allgemeinen menschlichen Existenzbedingungen bilden… Der Autor hat diesen Text wie alle seine anderen Bücher als ein politischer Denker geschrieben; als einer, der zeitlebens tief greifende gesellschaftliche Veränderungen für notwendig gehalten und erhofft hat. Niemals hat er sich dabei auf die Seite einer politischen Partei gestellt. Aus dem obigen Zitat wird deutlich, wo er ansetzt: bei der persönlichen Veränderung jedes Einzelnen, und möglichst Vieler gemeinsam. Erich Fromm war weder ein Wissenschaftler in traditionellem Sinn, noch war er ein Träumer. Seine Stärke lag darin, dass es ihm – der seine eigene Person auch als Produkt einer deformierten und deformierenden Gesellschaft wahrnahm – lebenslang um Selbsterkenntnis und persönliche Reifung ging. Lösungsvorschläge, die er stets im Auge hatte, suchte er in der Kunst des Lebens. Die war für ihn gekennzeichnet durch Liebesfähigkeit, Autonomie, Selbstreflexion und die Fähigkeit, sich selbst und die Wirklichkeit in aller Ambivalenz anzunehmen. 6 Dass die Welt sich ändern soll und muss, darin waren wir Jungen uns mit Erich Fromm schon in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts einig. Dass das nur geschehen wird, wenn wir selber uns ändern, war schwerer zu verstehen.

Evamaria, 11. 4.

  1. Besonders bekannt wurden: Die Kunst des Liebens, Psychoanalyse und Ethik und Anatomie der menschlichen Destruktivität. Eine vollständige Liste seiner Publikationen findet sich auf: http://www.erich-fromm.de, der offiziellen Website des Erich-Fromm-Dokumentationszentrums in Tübingen
  2. Dies geschah anlässlich einer Tagung, die er als Professor für Psychoanalyse in Mexiko organisierte; daraus entstand das Buch: Fromm, Erich, Suzuki, Daisetz Teitaro und Martino, Richard de: Zen-Buddhismus und Psychoanalyse, Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch, München 1963
  3. Der Text ist im Internet frei zugänglich unter: http://www.palikanon.com/diverses/satipatthana/satipattana.html.
  4. Aus: „Des Geistes Gleichmaß“, Festschrift zu Nyanaponikas 75. Geburtstag aus dem Jahr 1976, in der auch Erich Fromm einen Beitrag verfasste, zitiert nach einem Artikel von Ludger Lütkehaus in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. 7. 2001
  5. Fromm, Erich: To have or to Be, Erstausgabe in amerikanischem Englisch 1976, deutsch: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, München 1976
  6. Funk, Rainer, Meyer, Gerd und Johach, Helmut (Hrsg.): Erich Fromm heute – Zur Aktualität seines Denkens, München 2000. In diesem Sammelband setzt sich Funk, sein langjähriger Assistent und Nachlassverwalter, neben den inhaltlichen auch mit Aspekten der Persönlichkeit Fromms auseinander.